Aus der Praxis für die Praxis: Farbplanung fürs Badezimmer

Starke Farben
für Badkeramik, -möbel und Wände erfordern sicher ein wenig Mut, sind aber die
perfekte Möglichkeit, ein Bad exakt auf den einzelnen Kunden abzustimmen. Wo
erwünscht, erzielt der farbenfrohe englische Landhausstil ein echtes Urlaubsfeeling.
Foto: Duravit, Graham Brown

Ein Gastbeitrag von: Dr. Hildegard Kalthegener Farbstudio Dr. K
„Außer Farbe nichts gelernt!“, fasst Dr. Hildegard Kalthegener als gefragte Farbexpertin und -designerin ihren Werdegang manchmal scherzhaft selbst zusammen. Ganz früh schon ist sie der Farbe verfallen, bemalte zunächst daheim Anstecknadeln, Lampen, Türbeschläge, Gitarren und Fahrräder, finanzierte so schon früh ihre erste Stereoanlage.
Jahrzehnte später promovierte die Designerin über die Zusammenhänge von künstlerischer Kreativität und rational nachvollziehbarer Begründung im Hinblick auf Farbentscheidungen. Seit vielen Jahren wirkt sie in Theorie und Praxis auch als Dozentin und Autorin in den Gebieten Design, Marketing und Architektur, Deutschland- und Europaweit, manchmal sogar in Asien.
Die Kunden von Dr. Kalthegener stammen aus Handel und Herstellung in den Bereichen von Möbel-, Farben-, Bodenbelags-, Küchen- und Zuliefererindustrie; weiter sind es Kammern, Universitäten, Designstudios und Architekturbüros.
Farbstudio Dr. K
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Wir erklären einige Grundsätze für den cleveren Einsatz von Farbe,
und Sie punkten damit bei Ihrer Kundschaft, auch wenn wir keine Rezepte liefern.
Es ist offensichtlich, dass nicht in jedem neuen Bad das Thema Farbe dominieren
kann, allerdings lässt sich ebenso wenig alles in Weiß, Beige und Grau
erledigen. Es gibt bessere Lösungen!
Die Farbwahl für die „Nasszelle“ richtet sich nach verschiedenen Kriterien.
Ganz wichtig ist die Raumgröße: also Breite, Länge und Höhe des Raumes. Die Wandformate
sind Elemente der Raumhülle, in der sich die Einrichtung und das Leben
abspielt. Die Wände bieten sich als Farbträger an. Ehe wir aber dazu kommen, vorab
zunächst einige Gedanken zur Gestaltung von Boden und Decke.
Ist der Raum niedrig, bietet sich die Decke als hellste Fläche an. In anderen
Regionen wie Skandinavien und den Benelux-Ländern, aber auch im gesamten
englischsprachigen Raum sind farbige Decken deutlich üblicher als bei uns.
Ebenso in Wohnzeitschriften und in TV-bzw. Netflix-Serien. Zuhause bei uns
allerdings, haben sie im Allgemeinen keine besonders gute Akzeptanz. Für Kunden
mit ausgeprägtem Wunsch nach farbiger Individualität gilt aber: auch Farbe über
Kopf könnte eine Einsatzmöglichkeit sein. Luftiges Hellblau kann den Raum in
Kombination mit sandfarbener Fliese und weißem Anstrich an den Wänden nach oben
hin öffnen.
Traditionell gilt die Decke in der hierzulande gängigen Praxis
unter Gestaltern als „die vergessene fünfte Wand“. Für alles andere würde es
einen sehr aufgeschlossenen Kunden brauchen, der willens und mutig genug ist,
neue Wege zu beschreiten. Aber es gibt ihn, genau diesen kreativen Denker, der
mehr will, als in der Wanne liegen und unter die weiße Decke starren! In einem
hohen Altbau oder auch in einem Ausstellungsraum mit versetzten Deckenhöhen
wäre es eine denkbare Möglichkeit, vielleicht über Kopf mit Farbe neue
gestalterische Akzente zu setzen.
Farbe unter den Füßen ist immer eine Überlegung wert. Dunkelgrau wie Schiefer oder Farben
wie Holz sind seit über einem Jahrzehnt die Klassiker. Aber auch eine stärker farbige
Fliese am Boden ist gut denkbar, wenn es an den Wänden ruhiger zugeht. Unbunt,
also eine Kombi aus mehreren Graunuancen, ist gefühlt schon fast ewig beliebt.
Ebenso eignen sich die „Warm Neutrals“ wie Sand, Mocca- und Vanille-Farben als
Basis, die durch ein knalliges Highlight ergänzt werden können. Akzentfarben aber
bitte nicht wie mit der Gießkanne verteilen, denn Willkür ist ein schlechter
Ratgeber, wenn es um cleveres, hochwertiges und langlebiges Design geht. Zuviel
Farbe wirkt naiv. Verschiedene Töne aus einer oder maximal zwei Farbwelten sind
hingegen eine sichere Sache.
Wie ist der Schnitt des Badezimmers? Rechteckig, quadratisch oder
L-förmig? Öffnet es sich vielleicht als langgezogenes Schlauchzimmer? In diesem
Fall streichen Sie die schmale Wand gegenüber der Tür in einer aktiven Farbe,
z.B. mit warmem Eisenoxid, Koralle oder Campari-Rot. Diese Farbe kommt dem ins Bad tretenden
Nutzer aktiv entgegen und macht den etwaigen Schlauch kürzer. Die begleitenden
Wände rechts und links von der dominanten sowie die gegenüberliegende
Wandfläche lassen Sie in hellen Tönen fast transparent erscheinen und somit quasi
wie eine Erweiterung raumöffnend wirken.
In einem quadratischen oder auch
rechteckigen Grundriss bietet es sich an, die Hauptschauwand hinter Waschbecken
und Spiegel, oberhalb des Fliesenspiegels für einen Akzent zu nutzen. Dazu
gesellen sich gern schwarze Armaturen. Alternativ könnte man die Wand oberhalb
der Wanne mit einer raumhohen bad-tauglichen Motivtapete versehen. Aus dem
Wandbild kann man dann eine besonders attraktive Farbe ausdeuten und genau
bemustern, um damit eine oder sogar weitere Wände zu streichen, je nachdem, ob
es sich um eine kräftige oder eine zurückhaltende Nuance handelt.
Gibt es
vielleicht eine Nische? Auch diese eignet sich gut für eine Absetzfarbe. Es
gibt zahlreiche Optionen und Sie wissen ja selbst: jedes Bad ist - zumindest
für den Nutzer - ein Einzelfall. Es gibt in der Farbplanung kein eindeutiges
„richtig oder falsch“, aber meist sehr wohl ein „eher besser oder eher
schlechter“. Und je öfter Sie sich mit farbigen Einzelfällen beschäftigt haben,
desto mehr Erfahrung bekommen Sie und desto leichter und schneller können Sie
mit geschicktem Einsatz von Farbe überzeugen.
Es ist immer eine sichere Sache, nur eine Wand abzusetzen und den
Rest unbunt zu halten. Aber welche Wand sollte es sein? In Wohn- und Schlafzimmer
ist es einfach: die Wand hinter dem Sofa bzw. hinter dem Betthaupt bietet sich
traditionell für eine starke Absetzfarbe an. Im Bad ist es leider meist nicht
ganz so einfach.
Die dunkelste, weil verschattete Wand ist immer die, in der das
Fenster sitzt. Blaue und grüne Farben, gleich ob Petrol, British Racing Green
oder karibisches Türkis, wirken hier noch kühler und dunkler als sie ohnehin
schon sind; meist angenehm ruhig, manchmal aber auch ein wenig melancholisch.
Darauf bzw. davor machen sich gut weiße Absetzelemente und warmes helles Holz,
damit eine ausgewogene Harmonie entsteht.
Die hellste Wand ist von der
Belichtungssituation her stets die dem Fenster gegenüberliegende Fläche. Warme
Nuancen aus dem Quadranten des Farbenkreises zwischen Gelb und Rot strahlen
hier besonders hell und sonnig. Wir können dieser Beschreibung entsprechend mit
Farbe dem natürlichen Lichteinfall im Raum folgen, ihn stärker betonen. Für
viele Architekten ist das „best practice“, eine beliebte Methode. Andere gehen
aber genau gegenteilig vor und versuchen, mit Farbe einen ungünstigen
Lichteinfall zu kompensieren.
Ist die stets verschattete Fensterwand groß und
dominant, bietet es sich geradezu an, diese für einen helle warme Farbe zu nutzen,
damit der Gesamteindruck im Raum freundlicher wird und einladend ausschaut.
Oder gibt es eine Wand, die immer viel Sonnenlicht hat, Hitze reflektiert und
das Bad gefühlt zum Gewächshaus machen kann? Eben fertig geduscht und schon
naht der nächste Schweißausbruch. Kennen Sie das? 50% der Architekten würden
hier mit einer kühlen Farbe kompensieren, damit ein Bad eben frisch und sauber statt
schwül und stickig wirkt.
Lassen Sie es uns noch einmal wiederholen: es gibt
nicht 100% richtig und falsch in der Gestaltung. Aber diese beiden diametral
gegenüber liegenden Gestaltungsstrategien, nämlich entweder mit Farbe den
natürlichen Lichteinfall zu unterstreichen oder im Gegenteil zu versuchen,
ungünstige Lichtverhältnisse zu kompensieren, sollten Sie kennen. Das hilft
Ihnen von Fall zu Fall entscheiden zu können, welche Lösung für welche
Baustelle gerade richtig ist.
Licht und Schatten: auch auf die Himmelsrichtung kommt es an. Erneut taucht
eine ähnliche Frage auf, die sich gerade schon einmal gestellt hat: Betonen
oder kompensieren? Farbgestalter neigen im Innenraum eher zur Strategie mit
Farbe komplementär zu arbeiten als den natürlichen Lichteinfall im Sinne von
größtmöglicher Klarheit noch zu betonen. Ein etwas dunkles Bad, sei es durch
Nordlicht oder durch ein zu kleines bzw. nicht vorhandenes Fenster verursacht,
wird ansehnlicher, wenn es ein helles warmes Farbenkleid bekommt. Im sonnigen
Badezimmer mit großen Südfenstern haben Sie hingegen die gesamte Palette zur
Auswahl und können beruhigt auch auf Wünsche nach coolem, farbig-frischen Wind
eingehen, ohne Sorge, dass die Kunden im neuen Bad frösteln müssen.
Eine Wand absetzen oder komplett eintauchen in die Farbe? Wenn die
Kundschaft eine ausgeprägte Lieblingsfarbe hat, können wir auch über einen
relativ neuen Ansatz nachdenken. Alle vier Wände werden dafür in ein und
derselben Farbe gehalten, vielleicht sogar inklusive Fliesen. Eine farbige
Klammer fasst alle Materialien und Oberflächen zusammen, die sich aus Möbeln, Anstrich,
Fliesen (und sogar Sanitärobjekten?) ergeben. Alles sieht aus wie in dieselbe
Farbe getaucht, von der der Nutzer komplett umgeben wird.
Bei den auch in
Deutschland erfolgreichen englischen Farbherstellern wie Little Greene und Farrow
& Ball gibt es hin und wieder Beispiele, in denen nicht nur alle vier
Wände, sondern sogar die Decke im gleichen kräftigen Farbton gestrichen werden.
Und dieses neue Baby hat auch einen Namen: „Colour Drenching“ wird
dieser aus der Mode ins Interieur überschwappende Trend genannt. Wörtlich
übersetzt heißt Colour Drenching „mit Farbe durchtränken“. Gemeint ist, sich
komplett von allen Seiten in eine attraktive Lieblingsfarbe einhüllen zu
lassen. Es entstehen für unsere Augen eindrucksvolle, aber sehr ungewohnte Farbräume,
zu denen trendorientierte schwarze und goldene Armaturen besser passen als
chromglänzende.
Unser Tipp speziell fürs Bad: Dunkel ist modern, - ja. Aber wenn
alles rundherum uni in einer starken bzw. dunklen Farbe gehalten ist, - die
Sanitärobjekte davor doch lieber hell absetzen! Neue Trends sind auch nicht
jedermanns Sache: Raumhülle unbunt und zurückhaltend mit farbig lackierten
Objekten oder schön nuancierter Keramik und attraktivem Holz sind nach wie vor
gute Kombinationen, die Sicherheit vermitteln.
Die Raumgröße ist für die Umsetzung der neueren Trends gar nicht
mehr so entscheidend. Auch Gäste-WC und
ein eher kleines Familienbad können in Farbe getaucht werden bzw. eine
abgesetzte Wand bekommen. Im Bad verbringen wir deutlich weniger Zeit als im
Wohnzimmer, deshalb sieht man sich hier an seiner Lieblingsfarbe nicht so schnell
satt. Vielen Leuten ist es heute wichtiger, einen ganz besonderen, wenn auch
kleinen Raum zu bekommen, als dass man versucht, mit klinisch-weißem Anstrich
ein paar Quadratzentimeter mehr an gefühlter Raumgröße zu gewinnen, dabei aber die
Chance für Stimmung verschenkt.
Wie fängt man denn nun eigentlich an? Jetzt haben
Sie viel gelesen und fragen sich vielleicht, wie man in der Praxis durchstartet.
Für eine Neuplanung beginnen Sie nach dem Vorgespräch mit der Auswahl des
Produktes mit der kleinsten Farbpalette. Stricken Sie bloß nicht zuerst ein
kompliziertes Kleid für die Raumhülle, und finden dann keine passenden Möbel,
keine Armaturen und keine schöne Sanitärkeramik dazu. Die Fliesen und Armaturen
wählen Sie vor der Anstrichfarbe. Denken Sie auch an Farbe über dem Kopf und
unter den Füßen. Hier ist die Auswahl an Nuancen deutlich geringer als bei den abertausenden
Wandfarben, aus denen Sie zu guter Letzt auswählen können.
Im Altbau bzw. im Falle einer Teilsanierung schauen Sie als
erstes, was bleibt, was geht gar nicht mehr und muss daher raus? Bemustern Sie
zunächst exakt, was bleibt. Ist es vielleicht ein farbiger Terrazzoboden? Sind
farbige Einsprengsel enthalten, identifizieren Sie diese Farbfamilie, nutzen
sie für eine abgesetzte Wand und stellen eine gute Palette aus verwandten Nuancen
zusammen. So wirkt die Raumhülle nicht einfarbig aber immer noch wie aus einem
Guss.
Ist der Bodenbelag eher unbunt, haben Sie eine freiere Hand bezüglich der
weiteren Farbwahl. Zu Grau passt manchmal auch Pink! Geht es um ein
Ausstellungsbad für Ihren eigenen Showroom? Legen Sie nach Raumhülle und
Einrichtung als letzte kleinere Deko und Textilien fest, und zwar eher sparsam,
aber farblich gut abgestimmt auf die dominanten Elemente im Raum. Gerade bei
Textilien können Sie mutig sein, denn diese können Sie je nach Temperatur und
Jahreszeit passend wechseln.
Dieser
Artikel erschien zuerst in der Fachzeitschrift für Sanitär, Heizung, Klima SBZ.