Peter Ippolito: „Badezimmer sind so individuell wie die Menschen selbst.“

03/23

Peter Ippolito

Peter Ippolito studierte Architektur in Stuttgart und Chicago. Während dieser Zeit war er als Assistent von Prof. Ben Nicholson (Chicago) tätig und sammelte praktische Erfahrungen im Studio Daniel Libeskind (Berlin). 2002 gründete er gemeinsam mit Gunter Fleitz die Ippolito Fleitz Group. Im Folgenden spricht Ippolito über Nachhaltigkeit, Individualität, Persönlichkeit und Privatheit im Badezimmer.

Welchen Stellenwert hat das Badezimmer in der Wohnung? Bemerken Sie eine Veränderung? (Wie lange sind Sie schon dabei?)

Das private Badezimmer war lange Zeit ein rein funktional geprägter Raum. Mit zunehmendem Wohlstand der Gesellschaft wurde das Bad dann ein ästhetischer *Raum, an den ein anderer Anspruch gestellt wurde. Die veränderte Bedeutung des Badezimmers spiegelt sich auch im Immobilienmarkt wider. Tageslichtbad, Wanne und Dusche, Handtuchwärmer: Solche Details haben heute einen hohen Stellenwert für Käufer und Mieter. Somit ist das Badezimmer ein Lebensraum geworden, ein Spiegel der Persönlichkeit. Es ist gleichberechtigt mit den anderen Räumen und benötigt deshalb auch genauso viel Aufmerksamkeit bei der Gestaltung - inhaltlich und ästhetisch. Nicht ohne Grund nennen vielen Menschen das eigene Bad liebevoll die persönliche Wohlfühloase. Das ist grundsätzlich eine spannende Gestaltungsaufgabe.

Was macht für Sie ein gutes, privat genutztes Badezimmer aus?

Für mich ist ein gutes, privates Badezimmer ein Raum, der die eigene Persönlichkeit widerspiegelt. In dem ich ganz ich selbst sein kann und zur Ruhe komme. Die Wahrnehmungsparameter unserer Gesellschaft haben sich verändert. Sie sind geprägt von mehr Interaktion mit unserer Umwelt und der Digitalisierung. Wir nehmen wahnsinnig viel Informationen, Nachrichten, Bilder auf. Das ist eine totale Überflutung, die uns ein Stück weit auch überfordert. Das Badezimmer sollte ein Stück weit ein Gegenpol zur virtuellen Welt sein. Ein Ort, indem haptische *Erlebnisse und die eigene körperliche Präsenz im Vordergrund stehen. Diversität hat daher auch im Badezimmer eine große Bedeutung. Die Menschen und ihre Lebensmodelle sind so unterschiedlich geworden, dass es nicht mehr das eine perfekte Bad gibt. Die Badezimmer sind so individuell wie die Menschen selbst, wie ihre Vorstellungen und Träume. Und somit hat auch jeder Mensch eine andere Vorstellung von dem perfekten Bad.

Wie wichtig ist das Thema Licht in der Badplanung?

Ein durchdachtes Lichtkonzept trägt zum Wohlfühlen im Badezimmer bei und kann eine intime, persönliche Atmosphäre schaffen. Morgens hilft es, schneller fit zu werden und am Abend besser zu entspannen. Verschiedene Produkte können dabei unterstützen. Beispielsweise Leuchten, die mit unterschiedlichen Lichtszenarien arbeiten und sich so an den Tagesablauf anpassen und den natürlichen Biorhythmus unterstützen. Durch eine clevere Lichtgestaltung und energiesparende LED-Beleuchtung, kann zudem Strom gespart werden. Beim Thema Licht wird zunehmend mehr Individualität möglich und der Mut zu außergewöhnlichen Lichtinstallationen wächst bei den Konsumenten.

Welche Rolle spielt Nachhaltigkeit in Ihren Konzepten? Verändert sich aktuell das Bewusstsein bzw. das Nachfrageverhalten?

Nachhaltigkeit spielt eine große Rolle in unseren Projekten. Wir sehen uns in der Verantwortung, dafür Sorge zu tragen, welche Materialien wir in unseren Projekten verwenden. Sei es bezüglich der Langlebigkeit, des ökologischen Footprints oder auch bei der Ästhetik. Die Materialien in Bädern müssen viele unterschiedliche Aggregatzustände wie hohe Luftfeuchtigkeit oder verschiedene Wärmestufen aushalten. Somit ist es von Vorteil Materialien zu verwenden, die das Klima im Badezimmer ausnutzen und beispielsweise Wärme speichern oder die Feuchtigkeit für sich nutzen. Atmungsaktive Putz- oder Lehmputz-Oberflächen oder auch ein begrüntes Badezimmer sind Beispiele, durch die die Raumluftqualität verbessert werden kann. Durch die Verwendung von intelligenten Rohrsystemen oder einer Dusche mit intelligenter Wassersteuerung, kann Wasser gespart werden. Smarte Technologien werden in Zukunft unsichtbar den Ressourcenverbrauch steuern und den Komfort im Bad erhöhen. Als Architekten können wir insofern auf die Nutzer einwirken, als dass wir bei der Beratung gewisse Ansprüche kritisch hinterfragen und im Sinne der Nachhaltigkeit prüfen.

Smarte Technologien, Nachhaltigkeit, Wellbeing und emotionale Inszenierungen: Welche Faktoren werden bei der Badplanung künftig eine entscheidende Rolle spielen und warum?

Das Bad bietet ein großes Potential für den Einsatz von intelligenten Technologien und Oberflächen, die nachhaltig und individualisierbar sind. Die Digitalisierung verändert unseren Blick auf viele Themen, aber für uns bleibt das Bad immer ein analoger, sinnlicher Ort. Ein Ort, der die Sehnsucht nach sich selbst, nach der eigenen Identität *erfüllt. Die Technik muss daher unsichtbar und selbstverständlich bleiben. Viele Menschen schaffen sich in ihrem Bad ihre eigene Wohlfühloase – einen Raum zum Entspannen und Verweilen. Daher wird der Fokus zukünftig noch mehr auf individueller Gestaltung liegen. Weg von reiner Funktionalität, hin zu einem ästhetischen Raum. Dabei ist aber die Nachhaltigkeit nicht zu vernachlässigen, die immer mehr in den Fokus vieler Konsumenten rückt. Klima, Umwelt, soziale Gerech­tig­keit, Recyclingfähigkeit und Kreis­lauf­wirt­schaft sind einige wich­tige Facet­ten des Sustainable Designs, die bei der Auswahl der Badmaterialien eine große Rolle spielen.

Das Bad entwickelt sich immer mehr zu einem Lifestyle-Raum. Wie wird das Bad wohnlich?

Das Bad ist ein intimer Raum, in dem man sich mit sich selbst beschäftigt. Dementsprechend ist eine Gestaltung nach den eigenen Bedürfnissen und Wünschen wichtig, um sich wohlzufühlen. Und diese sind so individuell wie der Mensch selbst. Ein Wohlfühlort, an dem man sich gerne aufhält, ist ein Ort an dem sich die eigene Persönlichkeit widerspiegelt und man sich sicher und geborgen fühlt. Sei es durch Farben, Formen, Materialien, Licht oder die Raumaufteilung. Das alles lässt sich gemäß der eigenen Wünsche und Bedürfnisse anpassen. Der Mut zur individuellen Gestaltung der Nutzer nimmt zu und persönliche Gegenstände helfen die Identität zu darzustellen. Die Auffassung des Bads als Lebensraum, und nicht als reine Kachelhölle, hilft das Bad wohnlich zu gestalten.

Worin unterscheidet sich – abgesehen von der technischen bzw. sanitären Ausstattung – die Gestaltung eines Badezimmers von der Gestaltung anderer (Wohn)-Räume?

In jedem unserer Projekte spielen die Identität und die sehr persönlichen Präferenzen unserer Kunden eine zentrale Rolle. Das Badezimmer ist – mit Ausnahme des Schlafzimmers – der intimste Ort in den eigenen vier Wänden, den meistens nur nahestehende Menschen zu Gesicht bekommen. Hier folgt jeder seinen ganz eigenen Ritualen, die wir versuchen in die Raumgestaltung aufzunehmen und umzusetzen. Zudem ist eine Herausforderung bei der Gestaltung des Badezimmers, dass einige Nutzungselemente unabdingbar sind. Diese geschickt in ein kreatives Gesamtkonzept zu integrieren, ist auch ein Teil der Badgestaltung. Das macht unsere Arbeit an dieser Stelle so interessant.

Wo lassen Sie sich inspirieren? Wie wichtig ist die Weltleitmesse ISH in Frankfurt in Bezug auf Badplanung und Badarchitektur? Kommen Sie im März 2023 nach Frankfurt?

Als eine weltbekannte Messe im sanitären Bereich ist die ISH natürlich ein sehr wichtiger Ort, um neue Inspirationen zu sammeln und sich mit anderen Besuchern und Ausstellern auszutauschen. Ich komme am 13. März zur ISH und bin dort den ganzen Tag am hansgrohe-Stand anzutreffen. Auf der ISH haben die von uns gestalteten hansgrohe-Traumbäder Weltpremiere. Daher ist die Messe dieses Jahr besonders aufregend für mich.

Wie inspirierend finden Sie die aktuelle Produktwelt der Sanitärunternehmen? Was vermissen Sie?

Generell finde ich den Wandel, was die Funktion des Badezimmers und das Badezimmerdesign betrifft, sehr spannend. Ansonsten gerne einfach beim hansgrohe Stand vorbeischauen und sich inspirieren lassen. In den Traumbändern zeigen wir, dass ein Bad nicht einfach nur Brause und Spiegel sein muss, sondern ein spannender und außergewöhnlicher Lebensraum sein kann.

Wie sieht das Badezimmer der Zukunft aus?

Es gibt Trends in unserer Gesellschaft, die für alles gelten. Die Räume verlieren ihre Grenzen, das haben wir im Verhältnis Küche zu Esszimmer zu Wohnzimmer gesehen. Das ist nun auch im Badezimmer zu Schlafzimmer erkennbar. Der Stellenwert des Badezimmers als wichtiger Ort in der Wohnung und nicht nur als Funktionsort wird eher noch zunehmen. Außerdem die grundsätzliche Sehnsucht nach Natur-Erfahrungen. Das wird in den nächsten fünf bis zehn Jahren weiterhin ein großes Thema sein: Egal ob das natürliche Materialien sind oder Materialien, die mit dem Bild arbeiten. Ein wichtiges Entscheidungskriterium für den Benutzer wird weiterhin das Thema Nachhaltigkeit sein. Und interaktive Oberflächen dürften eine zentrale Rolle spielen. Gestalterisch wird es vermutlich alles geben, sodass ich mein Bad in Zukunft noch mehr auf meine Persönlichkeit zuschneiden lassen kann.

Profil

Ippolito Fleitz Group

We are identity architects

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Ästhetik, die

[ɛsˈteːtɪk]

Ästhetik ist die Theorie von der sinnlichen Wahrnehmung (von griech. „aisthesis“ = Wahrnehmung). Gemeint ist also nicht „das Schöne“ an sich, sondern die Lehre von den Gesetzmäßigkeiten und Grundlagen des Schönen (Harmonie), wie sie etwa in der Natur und der Kunst zu erkennen sind. Auch die Frage, ob die ästhetischen Eigenschaften als objektiv gegeben anzunehmen sind oder ob die Schönheit im Auge des Betrachters liegt, wird hier untersucht. Dabei geht es weniger um den persönlichen Geschmack als um die allgemein menschliche bzw. die allgemein gesellschaftliche Wahrnehmung dessen, was schön ist („Goldener Schnitt“).

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Haptik, die

[ˈhaptɪk]

Haptik (von griech. „haptikos“ = greifbar) ist die Lehre vom Tastsinn. Über die Berührung von Oberflächen bzw. durch das Berührt-Werden nehmen Lebewesen vielseitige Reize und Informationen auf. Im Design beeinflusst die Haptik eines Gegenstandes unser Wohlbefinden — unsere Reaktionen wie Sympathie oder Unwohlsein, Wärme- oder Kälteempfinden, Vertrautheit oder Irritation sind intuitiv und von uns nicht steuerbar.

 

Das Griffempfinden für die Oberflächengestaltung bestimmt weitgehend unsere emotionale Beziehung zu einem Objekt, aber auch unser Vertrauen in die ergonomische Qualität, etwa einer Armatur oder Instruments. Dennoch wird die haptische, über Material und Verarbeitung zu steuernde Qualität von Designobjekten gegenüber ihrer visuellen Wirkung gerne unterschätzt.

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Identität, die

[iˌdɛntiˈtɛːt]

Identität (von lat.: „identitas“ = Wesenseinheit) ist die komplexeste Größe, die es für Menschen, aber auch für künstlich erzeugte Produkte gibt. Sie unterstellt nicht nur Einzigartigkeit (von Personen und Produkten) sondern auch Einheit (der sie bestimmenden Faktoren). Mit anderen Worten: Viele Faktoren müssen so zusammenspielen, dass sich eine einheitliche, nicht beliebige Form ergibt. Innere Widersprüche im Charakter eines Menschen genauso wie im Gesamteindruck und in der Kommunikation eines Produktes/ bzw. einer Kollektion führen zu Konflikten.