Dr. Hildegard Kalthegener lebt im Raum Frankfurt und ist Colour Consultant und Dozentin. Sie studierte in Essen Gestaltungstechnik, sammelte weitere Farb-Erfahrungen im Rahmen eines einjährigen Aufenthaltes in den USA und promovierte über Farbentscheidungen zwischen Kreativität und Objektivierbarkeit. Zu ihren Schwerpunkten zählen Workshops, Vorträge und Seminare, ebenso wie Farbentwurf und Kollektionsentwicklung. Farbwahrnehmungstraining und Theorie verbindet sie zu einem spannenden Mix für Industrie, Handel, Auftraggeber, Architekt und Nutzer. Seit 2000 ist sie auch für NCS Berlin / Stockholm aktiv. 

Die Farbberaterin schaut vor allem danach, welche Farbnuancen weiterführend sind. Da das schon jetzt häufig eingesetzte Blau eine kühle Farbe ist, kann sie gut mit warmen Holztönen kombiniert werden. „Warme Holztöne sind in der Möbelwelt immer wichtig und bleiben es auch. Doch in den letzten Jahren wurden mit der Kaffee-Welle alle möglichen Brauntöne von Cappuccino bis Latte Macchiato und damit sämtliche Farben zwischen Schoko und Kaffee durchdekliniert. Hier ist eine deutliche Verlagerung zu erwarten.“ 

 

Um Räumen Tiefe und Möbeln Ausdruck zu verleihen, wird das bislang so dominierende warme Braun daher allmählich von dunklen, kühleren Blautönen und Dunkelgrau abgelöst, das mit Nuancen von Schiefer über Graphit und Asphalt zu Betongrau weiterhin stark vertreten sein wird. Als weitere Option für einen ausdrucksvollen Background bietet sich die schon im letzten Jahr auftrumpfende Trendfarbe Schwarz an. Neu etablieren könnte sich ein dunkles Grün, das von Pinie bis zu Schwarzgrün eine wärmere Alternative ins Spiel bringt und damit die Tür öffnet für ganz neue Farbharmonien. 

 

Ein farblich stimmiges Ambiente braucht eine ausgeglichene Balance zwischen bunt und unbunt, warm und kalt, neutralen Nuancen und Akzentfarben. „Zu den weiterhin gerne großflächig verwendeten Dunkelfarben braucht es auch leuchtende Kontraste“, erklärt Dr. Kalthegener. „Die gelbgrünen Farben wie Limette und Lemongrass, die auch oft mit Tönen des Rot-Spektrums wie Fuchsia kombiniert wurden, haben wir schon seit zehn Jahren in unseren Wohnungen. Sie erscheinen gerade der anspruchsvollen Konsumentengruppe mittlerweile zu konsumig. Diese Töne und Farbkombinationen bewegen sich derzeit in Richtung Gelb, das einen perfekten Kontrast zu Dunkelgrau darstellt.“ 

 

Doch Gelb ist nicht gleich Gelb. Die Gelbpalette der kommenden Saison reicht von einem hell interpretierten Ocker, das als warmes, sonniges Sandgelb sehr populär werden dürfte, bis zu einem kräftigen Citro und Limelight. Wie viele ihrer Kollegen sieht Kalthegener gerade bei den ockrigen, goldfarbenen Nuancen großes Potenzial. Das spiegelt sich auch in der Wiederentdeckung des Messings als Trendmaterial wider, das sich hier und da bereits als Alternative zu Kupfer sehen lässt, welches die Einrichtungswelt in den letzten drei Jahren geradezu überrollt hatte. Dieses bleibt auch weiterhin aktuell, vor allem in Form einer rostigen Farbvariante.  

 

Das aktuelle Sandgelb macht deutlich, wie stark Farben in ihrer Wirkung von den sie begleitenden Tönen und Materialien beeinflusst werden. Sandgelb wirkt, wenn es auf Schwarz liegt, fast wie ein Pastell, während es vor Weiß eher kräftig und gewichtig erscheint. Auf einem weißen Blatt Papier wirkt das sonnige Ocker schwer, doch in Kombination mit einem Eiche-Möbel funktioniert es wie eine zarte, organische Aufhellung des Holzes. Ocker ist an sich zwar eine eher traditionelle Farbe – eines der ältesten Pigmente, die in der Menschheitsgeschichte verwendet werden – passt aber hervorragend in das moderne Wohnen und kann sowohl akzentuierend als auch großflächig verwendet werden. 

 

Als weitere Kontrastfarbe zu dem Dunkelspektrum Schwarz-Dunkelgrau-Dunkelblau-Dunkelgrün bleibt ein leuchtendes Blau-Spektrum aktuell. Neben dem schon recht weit verbreiteten Petrol tauchen vermehrt hell leuchtende Varianten von Aqua-Mint bis Karibisch-Türkis auf. Vor Pinie oder Dunkelgrau harmonieren sie perfekt selbst mit kräftigen Gelb-Akzenten. 

 

Eine Weichenstellung im Farbraum hingegen erzwingt die dritte Kontrastfarbe des aktuellen Farbtrends: Die Farbexpertin sieht im roten Farbraum eine deutliche Verschiebung von Fuchsia und violetten Tönen hin zu einem zurückhaltenden Orange-Rot. Die hier auftauchenden Nuancen bewegen sich laut Dr. Kalthegener „irgendwo zwischen Rot und Kupfer und erinnern an Himbeeren, aufgeschnittene Wassermelonen oder, in einer etwas zarteren Variante, an Flamingos.“ 

 

Wassermelone empfiehlt sich vor allem als guter Partner zu Dunkelgrün, aber auch zu bereits etablierten Farben wie Dunkelblau oder Petrol. Denn als Accessoire-Farbe zu bereits vorhandenen Möbeln und Einrichtungskonzepten können sich auch solch neue, Mut erfordernde Kontrastfarben schnell durchsetzen. 

 

Während sich also die eine Kontrastfarbe – Wassermelone – aus dem Materialtrend Kupfer weiterentwickelt, kommt mit Sandgelb ein neues Material – nämlich Messing – in die Hotellobbys und Wohnzimmer. 

 

Als Farbklang empfiehlt die Farbexpertin eine Kombination von einem dunklen Farbton (Dunkelblau, Dunkelgrau, Dunkelgrün) mit einem oder zwei Kontrastfarben des aktuellen Gelb- und Blauspektrums (etwa Sandgelb, Citro und Aqua-Mint) oder aber eine Kombination mit den Kontrastfarben Sandgelb und Wassermelone. Als mutige, dabei aber sehr schöne Farbzusammenstellung sieht sie die Kombination von Pinie und Wassermelone zu blond aufgehellter Eiche. Eine Kombination mit allen drei aktuellen Kontrastfarben – Limelight, Aqua-Mint und dazu noch Wassermelone – kann hingegen schnell zu bunt und überladen wirken. 

 

Wichtig dabei, betont Kalthegener, ist nicht so sehr die Frage, welche Farbe denn jetzt die dominierende sei. Alle haben ihre Berechtigung und ihre Zeit. Entscheidend sei vielmehr die Überlegung, welche Farbnuancen auch längerfristig zum Wohnen passen, und vor allem, zu welcher Umgebung, zu welchem Interieur und für welche Zielgruppe. Für die Hersteller ist die Farbwahl bei jeder Produktgruppe von Bedeutung. Nur die mutigsten Marken werden sich bei der Entwicklung eines neuen Sofas für eine farbintensive Akzentfarbe entscheiden. 

 

Bleibt noch die Frage nach den Holztrends. Zu den Dunkeltönen würde Eiche eigentlich perfekt passen, doch diese Holzart ist schon seit Jahren ein Dauerbrenner. Wenn also schon das Weiß als dominierende Unbunt-Farbe von Schwarz bzw. Schwarz-Weiß-Kombinationen abgelöst wird, erwartet die Parkett-Leger und Massivholz-Fans jetzt auch ein Down-Grading von Eiche? 

 

Hier gibt es Entwarnung: Als Holzfarbe im mittleren Spektrum wird Eiche bleiben, zudem häufig in aufgehellten Tönungen. Denn das ist es, was alternativ zu den ganz dunklen, kaffeebraunen Hölzern wie auch jenseits der skandinavisch-blonden Leichtigkeit gesucht wird: Hölzer mittlerer Helligkeit, irgendwo zwischen Honigfarben und Cognacnuancen. Diese lassen sich nämlich gut mit den neuen Sand- Tönen und den hellen Blickfangfarben kombinieren, aber auch mit den dunklen Ambiente-Farben. 

 

Noch ein Tipp der Farbberaterin: Die fünf aktuellen Wohnfarben (etwa Pinie, Sand, Aqua, Citro und Wassermelone) sollten nicht willkürlich wie auf einer Palette zusammengerührt, sondern ganz gezielt und dosiert verwendet werden. Dabei muss man sich zwischen Türkis/Aqua und Wassermelone als Akzentfarbe entscheiden. Dann können sehr stimmungsvolle und langlebig attraktive Farbarrangements entstehen. Denn: Wer würde bei der Kombination von Piniennadel-Grün mit Nuancen von sonnigem Sand und Aqua nicht gleich an die Karibik oder den Weg zum Strand denken?