Keyvisual Pop up my Bathroom 2021

Jens J. Wischmann: „Auch im Hospitality-Sektor müssen die Bäder lifestyliger sein.“

11/20
Jens J. Wischmann, Geschäftsführer, Vereinigung Deutsche Sanitärwirtschaft e. V. (VDS)

„Die Popularität des Themas Wohnen sorgt auch für eine wachsende Attraktivität des Badezimmers, das zunehmend als vollwertiger Aufenthaltsraum wahrgenommen wird“, Jens J. Wischmann, VDS.

Jens J. Wischmann ist Geschäftsführer der Vereinigung Deutsche Sanitärwirtschaft e.V. (VDS) sowie Geschäftsführer der Gesellschaft zur Förderung der Sanitärwirtschaft mbH, Bonn. Seit 2001 vertritt er damit im Dachverband der deutschen Unternehmen im Bereich Bad und Sanitär die gemeinsamen Interessen der Mitglieder für den Lebensraum Bad in der Öffentlichkeit.

Im Interview spricht Wischmann über Wachstumsmärkte, Trends im Badezimmer-Design und über das Motto von Pop up my Bathroom Inside | Outside zur ISH digital 2021.


Pop up my Bathroom hat sich von ISH zu ISH mehr zu einer zentralen Plattform für ambitionierte Badplaner und Architekten entwickelt. Haben Sie mit diesem Erfolg gerechnet?

Ja und Nein. Aber offensichtlich haben wir die Informationsbedürfnisse von Interior Professionals erkannt und mit Pop up my Bathroom analog auf der ISH und digital im Web sowie bei Social Media eine ansprechende Plattform mit Mehrwert geschaffen. Wir haben viele Trendentwicklungen ausgemacht, verstärkt und populär gemacht. Mit unserer neutralen und werbefreien Website Pop up my Bathroom steuern wir in diesem Jahr mit 1 Million Seitenaufrufen auf einen neuen Zugriffsrekord zu. Rund ein Drittel der Besucher kommt dabei aus dem Ausland. Diese Zahlen sind rein organisch gewachsen, ohne Werbeinvestitionen, nur mit nachhaltigem Content. In dieser Größenordnung war der Erfolg nicht absehbar.


Wie werden Sie in Ihrer aktuellen Trendschau Pop up my Bathroom auf die coronabedingten Veränderungen eingehen?

So gut wie gar nicht. Das ist nicht unser Thema. Wir wollen Inhalte zeigen, die inspirieren und informieren, die Lust machen auf die nächsten Jahre. Natürlich wird sich unsere Trendplattform mit den Veränderungen des Marktes auseinandersetzen, aber für die Beobachtungen und Interpretationen darüber, wie sich unsere Badkultur ändert und durch welche Gestaltungstrends das Baddesign die nächsten Jahre geprägt wird, hat die Corona-Erfahrung kaum einen direkten Effekt.


Aber Sie sehen indirekte Effekte? Was verstehen Sie darunter?

Das kann doch jeder nachvollziehen. Mir war bis vor Kurzem auch nicht bewusst, wie wichtig das Badezimmer zum Beispiel für die Aufrechterhaltung von Alltagsritualen ist. Tatsächlich bekommen das private Heim und das Private Spa mehr Gewicht im Leben der Menschen, und die für das Badezimmer-Design immer wichtigeren Funktionen wie Fitness oder Gesundheitspflege und vor allem Entspannung rücken durch die Pandemie- und Isolationserfahrung noch deutlicher ins Bewusstsein der Kunden. Aber die Trendentwicklungen, die uns anlässlich der ISH digital 2021 bei Pop up my Bathroom interessieren, sind längerfristig; sie stützen sich auf Beobachtungen sich längerfristig etablierender Lifestyles, auf gesellschaftliche und soziostrukturelle Entwicklungen wie Demografie oder Urbanisierung sowie auf Einrichtungstrends, die das Wohnen insgesamt beeinflussen. Das sind Entwicklungen, die nicht durch Corona entstehen, sondern von der Pandemie abgeschwächt oder verstärkt werden. Wie in vielen anderen Bereichen wirkt die Krise wie ein Brennglas, das Entwicklungen beschleunigt und Schwächen und Stärken offenbart.


Wie sehen Sie die aktuelle wirtschaftliche Situation für das Badezimmer?

Die Popularität des Themas Wohnen sorgt auch für eine wachsende Attraktivität des Badezimmers, das zunehmend als vollwertiger Aufenthaltsraum wahrgenommen wird – mit den entsprechenden Ansprüchen an ästhetische Gestaltung und Ausstattungskomfort. Die hohe Bedeutung des Wohnumfelds für die Lebensqualität ist im privaten Bereich sicherlich ein Treiber für die gute bis sehr gute wirtschaftliche Lage der Sanitärbranche in Deutschland. Das Badezimmer wird zum Rückzugsort innerhalb der eigenen vier Wände und erfährt durch eine hochwertigere Ausstattung eine enorme Aufwertung. Angesichts dieser sehr guten Marktvoraussetzungen bestehen die Herausforderungen für das Handwerk in der dünnen Personaldecke, die wenig Reserven erlaubt, und zwar schon deshalb, weil wir seit Jahren ein Nachwuchsproblem haben. Natürlich sind diejenigen unserer Mitgliedsunternehmen, die stark exportorientiert sind, auch ganz unmittelbar durch die globalen Folgen der Pandemie für die Wirtschaft betroffen – bislang aber erst mit einem überschaubaren Umsatzrückgang.

„Die ISH ist der Innovationsmotor für Produktneuheiten und Trends im Badezimmer.“

Jens J. Wischmann, Geschäftsführer, Vereinigung Deutsche Sanitärwirtschaft e. V. (VDS)

„Die Herausforderungen bei der Setzung eines neuen Qualitätsstandards sind weniger bei den einzelnen Produkten zu suchen als in der klugen Vernetzung aller Produkte“, Jens J. Wischmann, VDS.

Die ISH 2021 findet rein digital statt. Verändert das die Situation bei Pop up my Bathroom?

Die ISH ist für uns immer ein wichtiger Anlass, denn sie ist der Innovationsmotor für Produktneuheiten und Trends im Badezimmer. Die geplante physische Ausstellung von Pop up my Bathroom in Frankfurt auf der ISH 2021 muss nun zwar entfallen, aber das hindert uns nicht daran, die Trends zur ISH digital 2021 zu kommunizieren. Wir sehen aktuell durchaus auch Vorteile, weil wir eine funktionierende digitale Plattform haben, die von der Community akzeptiert und genutzt wird. Das Business geht ja weiter, und die Pandemie verstärkt bei den Endkunden eher noch den Wunsch, Heim und Badezimmer zu renovieren. Pop up my Bathroom wird bei der ISH digital 2021 eine Sonderrolle einnehmen und eine wichtige Funktion als Schnittstelle zwischen Ausstellern der Messe und Interior Professionals übernehmen.


Stichwort Sanierung von Badezimmern: Mit Inside | Outside greifen Sie bei Pop up my Bathroom den Trend zur ganzheitlichen Badplanung auf.

Das ist natürlich ein Trend, der dem Fachmann nicht neu ist, der aber mit den neuen Technologien eine neue Dominanz erhält und zudem in der Öffentlichkeit zu wenig wahrgenommen wird. Es geht dabei auch darum, das Image des Handwerks den neuen Realitäten anzupassen. Dabei ist der jetzige Aufschlag von Pop up my Bathroom nur ein erster Schritt.


Sie wollen also den Blick vom einzelnen Produkt wegleiten und hinter die Wand schauen?

Genau. Die neuen Herausforderungen bei der Setzung eines neuen Qualitätsstandards sind weniger bei den einzelnen Produkten zu suchen als in der klugen Vernetzung aller Produkte. Für die Zukunft brauchen wir ein neues Verständnis von Ganzheitlichkeit, indem wir systemübergreifende Konzepte ausprobieren. Ein tolles Lifestyle-Badezimmer ist nur so gut wie die Summe der Produkte vor und hinter der Wand. Das vernachlässigen viele Bauherren gerne, wenn sie sich schnell durch einen Online-Shop von einem günstigen Preis oder einem Hochglanzfoto verleiten lassen. Wir wissen ja, dass hinter einer professionellen Badplanung die Harmonisierung und Synchronisierung von gleich mehreren Gewerken, sprich Handwerkern, steht, und dass sich die eigentlichen Helden eines minimalistischen Badezimmers oft hinter der Wand „versteckt“ halten.


Und mit dem Motto Inside | Outside wollen Sie gleichzeitig die Aufmerksamkeit auf den wachsenden Sanierungsmarkt im Bereich Badezimmer lenken?

Immerhin beabsichtigen rund 16,7 Millionen Bundesbürger zeitnah in ihr Bad zu investieren, und 6,2 Millionen planen sogar eine Generalüberholung – und das ist, laut B&L-Sanierungsstudie, der Stand aus dem Frühjahr dieses Jahres! Vor diesem Hintergrund erhält die internationale Leitmesse der Branche, die ISH digital 2021, nochmal eine besondere Bedeutung. Auf Sanierung und Modernisierung spezialisierte Produktkonzepte könnten der Branche helfen, die Dynamik dieses Marktes auch bei knapper Personalausstattung voll auszuschöpfen und effizienter zu gestalten. Die Sanierung von privaten Badezimmern in Deutschland ist ein riesiger Wachstumsmarkt und wird uns die nächsten 10 bis 15 Jahre beschäftigen.

„Wohnlichkeit, Nachhaltigkeit und Smartness werden das Badezimmer der Zukunft prägen.“

Jens J. Wischmann, Geschäftsführer, Vereinigung Deutsche Sanitärwirtschaft e. V. (VDS)

„Pop up my Bathroom zeigt nicht das Badezimmer einer fernen Zukunft, sondern das smarte Badezimmer mit den technischen Möglichkeiten unserer Zeit“, Jens J. Wischmann, VDS.

Ist der Nachholbedarf im Bad auf den privaten Bereich beschränkt?

Im privaten Sektor liegt zweifelsohne ein Schwerpunkt, doch mit Covid-19 steigen auch die Anforderungen an halb- und öffentliche Bäder, wie etwa in Schulen, in der Gastronomie, in Veranstaltungsstätten oder in Hotels. Hier sind nicht nur Hygienekonzepte gefragt, sondern auch Aufenthaltsqualität. Auf gut Deutsch: in Sporthallen, Schulen, Hochschulen und Kindergärten müssen akzeptable Bäder und Toiletten einem Hygienestandard genügen. Da haben wir in Deutschland zweifelsohne einen Nachholbedarf. Im Hospitality-Sektor, also in Gaststätten, Restaurants und Hotels müssen die Bäder auch lifestyliger sein. Die Standards und Ansprüche verschieben sich definitiv nach oben.


Zur ISH 2019 proklamierte Pop up my Bathroom eine neue Farbigkeit im Badezimmer. Welche Trends sehen Sie denn aktuell?

Wir fokussieren uns zur ISH digital 2021 auf drei wichtige Trendthemen in der Erlebniswelt Bad. Die drei Themen Wohnlichkeit, Nachhaltigkeit und Smartness werden das Badezimmer der Zukunft in den nächsten Jahren dermaßen prägen, dass wir mit unserer Kampagne Pop up up my Bathroom ein Zeichen setzen wollen.


Was meinen Sie mit einem Smart Bathroom? Das Badezimmer der Zukunft?

Pop up my Bathroom zeigt nicht das Badezimmer einer fernen Zukunft, sondern das smarte Badezimmer mit den technischen Möglichkeiten unserer Zeit. In der Kombination von auf dem Markt verfügbaren Produkten sollte im Saal Europa auf der ISH 2021 ein beispielhaftes Smart Bathroom aufgebaut werden. Das wäre sicherlich einmalig in der Branche gewesen. Nun arbeiten wir an der digitalen Umsetzung und können dabei die einzelnen Komponenten und Systeme virtuell miteinander kombinieren. Das ist für uns auch eine spannende Aufgabe.


Und das Thema Nachhaltigkeit bleibt wichtig?

Wir haben mit dem Green Bathroom schon zur ISH 2011 auf die steigende Bedeutung des Themas Nachhaltigkeit für die Kaufentscheidung hingewiesen. Wenn sich die Aufregung um Corona gelegt hat und wir wieder mehr über Inhalte sprechen, wird das Thema Nachhaltigkeit ein bestimmendes Thema bei der professionellen Badplanung darstellen. Wir zeigen zur ISH digital 2021 den aktuellen Stand der Entwicklungen auf und werfen einen Blick in die Zukunft.

„Die Sanierung privater Badezimmer ist ein riesiger Wachstumsmarkt.“

Jens J. Wischmann, Geschäftsführer, Vereinigung Deutsche Sanitärwirtschaft e. V. (VDS)

„Es wird möbeliger, stofflicher, flexibler und schöner im Living Bathroom – und es warten viele alte Badezimmer darauf, wachgeküsst zu werden“, Jens J. Wischmann, VDS.

Und was versteckt sich hinter dem Trendbegriff Living Bathroom?

Das Living Bathroom ist die Antwort auf den aktuell nochmals gestiegenen Bedarf nach einem individuellen, komfortablen und wohnlich gestalteten Wellness-Rückzugsort in den eigenen vier Wänden. Schon über die letzten Jahre hat das Badezimmer eine kontinuierlich steigende Aufwertung erfahren: Wohnlichkeit, Zeitgeist, Mode und Stil, aber auch moderne Nutzungskonzepte für mehr Aufenthaltsqualität und gesundheitsrelevante Aktivitäten sind heute die gefragten Eckpunkte professioneller Badplanung. Es wird möbeliger, stofflicher, flexibler und schöner im Living Bathroom – und es warten viele alte Badezimmer darauf, wachgeküsst zu werden.


Können Sie heute schon abschätzen, inwieweit Corona eine Auswirkung auf das Nutzungsverhalten im Bad und auf die Planung von Bädern hat?

Es gibt sicherlich eine Verschiebung in der Wahrnehmung. So sehen wir bei unseren Mitgliedsunternehmen eine verstärkte Nachfrage an Produkten mit einem hygienischen Mehrwert. Das sind zum Beispiel berührungslose Armaturen oder Seifen- und Desinfektionsmittel-Spender. Aber auch antibakterielle Oberflächen oder hygienische Dusch-WCs werden immer mehr nachgefragt. Im Hospitality-Bereich kommt dieser Hygiene-Komfort bei den Gästen sehr gut an. Das wiederum hat Auswirkungen auf die Planung privater Bäder. Auf diese Sicherheit und den Komfort möchten viele im privaten Heim nicht mehr verzichten. Interessant ist ja auch, dass ein gesteigerter Hygiene-Standard im Bad oft mit nachhaltigen Maßnahmen einhergeht.


Was hat denn ein gesteigerter Hygiene-Komfort mit Nachhaltigkeit zu tun?

Berührungslose Armaturen verbrauchen weniger Wasser, glatte Flächen und optimierte WCs ohne Spülrand benötigen weniger Reinigungsmittel, und Dusch-WCs verringern den Verbrauch von Toiletten-Papier bei gleichzeitiger Erhöhung des Hygienegefühls. Der gesteigerte Hygiene-Komfort durch innovative Produkte der Sanitärindustrie ist eine Win-Win-Situation für Hygiene und Natur.


Wie sieht der Fahrplan für Pop up my Bathroom bis zur ISH 2021 digital aus?

Nach einem Relaunch der Website im Sommer 2020 steigern wir gerade unseren Veröffentlichungstakt. Außerdem kommen wir den zahlreichen Wünschen nach einem Newsletter nach und veröffentlichen nun regelmäßig einen Trendnewsletter. Die drei Trends Smart Bathroom, Green Bathroom und Living Bathroom werden wir bis zur ISH digital 2021 vorstellen. Die ISH digital 2021 wird für uns ein Anlass sein, die Neuheiten aus der Erlebniswelt Bad zu präsentieren.