Interview mit Gesa Hansen: „Ich habe noch nie die Schnauze davon voll gehabt, dass Bäume grün sind.“

10/19

Mit der diesjährigen Messe ISH in Frankfurt wurde eines klar: Das von den Trendexperten von Pop up my Bathroom für das Badezimmer postulierte Ende der Enthaltsamkeit bei der Farbgebung ist da. Ein wenig zögerlich noch tasten sich Hersteller, Badplaner und Konsumenten an Konzepte für Bäder in kräftigen Farben, trendigen Farbzusammenstellungen oder pastelligen Arrangements heran. Bei der Ausstellung von Pop up my Bathroom, der Trendplattform der Sanitärbranche, konnten die Besucher sehen, welche Farbkonzepte sich im Badezimmer anbieten und umsetzen lassen.

Kaum ist Weiß und Schwarz zum Trendthema geworden, ist auch wieder Platz für Farbakzente. Was im Wohnzimmer als Mix&Match für farbig lackierte Vintage-Stücke oder in der Küche für farbig akzentuierte Regale sorgt, hat im Bad oft bleibende Konsequenzen: Fliesen, Badmöbel, ja sogar Badewannen erhalten Farbe – mal dezent Ton-in-Ton, mal selbstbewusst in Rot oder sogar in bunt. Die Farbwahl ist dabei so individuell wie die Menschen, die ihr Bad einrichten. Wie Farben in Bad wirken und was das für die Badplanung bedeutet, darüber sprachen wir mit der Designerin Gesa Hansen.

Gesa Hansen

Gesa Hansen, geboren am 17. April 1981 in Arnsberg, hat an der Bauhaus Universität wie auch in Japan an der Nagoya University of Arts Design studiert. Seit ihrem Studium lebt und arbeitet die junge Designerin in Paris und wurde für ihre Werke bereits mehrfach ausgezeichnet. Seit 2015 arbeitet Sie mit Villeroy & Boch zusammen und entwickelte für verschiedene Produkte neue Farbwelten und -konzepte.

Wieso kommt auf einmal im Bad die Farbe wieder? Hier war doch jahrelang Weiß vorherrschend. Weiß war eine sichere Bank. Wieso wird auf einmal das Thema Farbe zum bestimmenden ISH-Thema?

Ich glaube, dass die Entwicklung in Zyklen arbeitet und dass wir jetzt einfach wieder in eine buntere Phase reinrutschen.

Wir werden also wieder mutiger, in der Wohnung etwas mit Farbe zu machen?

Das ist natürlich auch der Wunsch nach Individualisierung, den wir immer stärker beobachten können und der auch bei meinen Interior-Design-Projekten immer spürbarer wird – der Wunsch, sich abzusetzen und seinen eigenen Typ zu finden.

Gibt es dieses Jahr eine Trendfarbe im Badezimmer?

Ehrlich gesagt glaube ich überhaupt nicht an Trendfarben. Die Definition von Trendfarben kann für Marketing-getriebene Unternehmen total beruhigend sein, aber Farben sind in ihrer Wahrnehmung dermaßen subjektiv, dass eine Trendfarben-Definition per se schwierig ist – ganz abgesehen davon, dass es sehr auf das Licht ankommt, in der die Farbe wahrgenommen wird. Und wenn jetzt NCS oder Pantone irgendeine Farbe als Trendfarbe rausgibt und ich diese Farbe in vier verschiedene Interiors einsetze, ist es viermal eine andere Farbe. Von daher weiß ich überhaupt nicht, ob das so viel bringt. Ich glaube, es macht eher Sinn darüber zu reden, dass wir derzeit eher mit gedeckteren Farben arbeiten.

Es war auch eher eine rhetorische Frage. Wir tun uns ja mit dem Marketingmodell der Trendfarben auch eher schwer. Daher haben wir bei Pop up my Bathroom auch bewusst 12 Farbräume definiert – für die tagtägliche Arbeit eines Badplaners ist diese Vorgehensweise sicherlich praktikabler. Doch wie bringen wir das, was sich Hersteller, Designer und Farbexperten vorstellen, dann in die Badezimmer?

Am ehesten mit einer einfachen Montage und Demontage. Die Austauschbarkeit würde vielen die Angst nehmen beim Farbeinsatz im Bad. Das Interieur lebt von den Kontrasten und vom Licht. Das Badezimmer ist als Transit-Station eben nicht die ganze Zeit gleich: von morgens bis abends verändern sich die Lichtverhältnisse. So gesehen ist das Badezimmer als Farbraum ein sehr guter Spielplatz für Interior Design.

Mit der Festlegung auf eine Farbe scheint die Farbgebung im Badezimmer aber wie in Kacheln gemeißelt zu sein – wie lässt sich der nach ein paar Jahren drohende Moosgrün-Frust vermeiden?

An der Farbe von Jeansstoff haben wir uns unser ganzes Leben noch nicht satt gesehen. Trotzdem gibt es diese Angst manchmal. Vielleicht liegt es eher an der Art und Weise, wie Farbe früher eingesetzt wurde. Das Bad meiner Großeltern fand ich schon als Kind gewöhnungsbedürftig. Grundsätzlich glaube ich aber, dass man sich an einer Farbe, für die man sich bewusst entschieden hat, nicht wirklich satt sehen kann.

Das Thema Farbe hat für die Branche ja nicht nur einen merkantilen Gesichtspunkt, sondern auch einen emotionalen. Was hat Sie besonders fasziniert oder angetrieben, sich mit Farbe auseinanderzusetzen?

Das erste richtige Farbkonzept für Villeroy & Boch habe ich mit der Einführung des Artis-Waschtischs gemacht. Ich habe für jede Farbe drei Farbnuancen entwickelt, damit der Badplaner auf die verschiedenen Lichtsituationen reagieren kann. Mir war es auch wichtig, dass die Farben leicht zu kombinieren sind, weshalb ich am Anfang versucht habe, den Kontext zu finden. Man versucht sich ja dann immer vom Produkt oder vom Kontext heraus zu entwickeln und ich habe daran gedacht, wie es ist, wenn man zum Beispiel ins Schwimmbad steigt: Bei jeder Stufe wird das Wasser tiefer. Oder wenn man einen Pinsel nimmt und ein Aquarell auf ein Papier haut und es faded dann so langsam aus. Deswegen habe ich dann einfach mit jeder Farbe in drei Nuancen gearbeitet, um diesen Wasserkontext nicht zu verlieren, was dann ganz gut geklappt hat, weil es dadurch sehr leicht wirkt und gut zu verdauen ist. Dafür habe ich dann bei der Gestaltung des V&B-Messestandes für die ISH so richtig reingehauen. Für manchen vielleicht eine etwas schwere Kost …

Mag schon sein, wenn man jahrelang Diät gelebt hat! Es ist halt ein bisschen knalliger. Hier bei Pop up my Bathroom haben wir bei den Farbtrends ja auch gezeigt, dass neben den Farbharmonien, Abstufungen und Pastelltönen auch richtig knallige Töne und bunte Farbzusammenstellungen im Badezimmer gut eingesetzt werden können.

So etwas entsteht auch in Referenz an die Fashion. In der Fashion-Industrie ist gerade das Colour-Blocking en vogue: zwei Farben, die sich konträr gegenüber liegen, bold miteinander zu mischen. Das habe ich dann einfach mal ausprobiert. Es ist ein bisschen unverbaubarer als das vorherige Farbkonzept. Aber manchmal tut so etwas auch ganz gut.

Der Wunsch nach mehr Lifestyle im Badezimmer ist sehr dominant. Wie viel Mode im Badezimmer ist denn überhaupt möglich? Schließlich müssten wir mit einer knallroten Badewanne dann auch 15 Jahre lang leben.

Ich bin eher der Meinung, dass man sich für eine Farbe entscheiden und diese dann so einsetzen kann, dass man mit ihr auch leben kann. Auch die Farbe Weiß ist eine Entscheidung – dann lebt man halt in weiß. Aber ich kann genauso gut in blau leben. Ich habe noch nie die Schnauze davon voll gehabt, dass die Bäume grün sind!

Kann die Verwendung von Farbe im Bad denn nachhaltig sein?

Gerade mit den neuen Systemen und Aufsatzwaschbecken, die aktuell hier auf der ISH vorgestellt wurden, kann man mit Farbe arbeiten, ohne dass es ein großes Risiko darstellt. Und wenn man dann wirklich irgendwann den Aufsatzwaschtisch nicht mehr sehen will, kann man ihn wieder wegnehmen. Aber ich bin überzeugt, dass ein nachhaltiges farbliches Design machbar ist, das mindestens 50 Jahre lang hält. Meiner Meinung nach. Man muss ja nicht gleich so reinhauen, wie man das in den 60er Jahren getan hat.

Abschließende Frage: Welche Farben spielen denn in Zukunft eine Rolle bei der Gestaltung von Badezimmern?

Es gibt immer Trendfarben, das glaube ich schon. Aktuell sehe ich gerade Bordeaux-Töne bzw. Rot-Töne ein bisschen wiederkommen. Das sind geerdete, natürliche Farben, als ob eine Handvoll Erde in den Farbeimer geworfen würde. Schwierig wird es, wenn eine Trendprognose einen ganz bestimmten Farbwert nennt, weil diese Farbe in jedem einzelnen Kontext anders wirkt.