Das Tokyo Toilet Project ist fertiggestellt

Die Außenansicht der Toilettenanlagen des Stadterneuerungsprojekts The Tokyo Toilet, ein Projekt der Nippon Foundation, von Marc Newson, Miles Pennington zusammen mit DLX Design Lab, Junko Kobayashi und Sou Fujimoto
Foto: The Nippon Foundation, TOTO Ltd.
Japan gilt
als das sauberste Land der Welt. Das manifestiert sich sogar in den
öffentlichen Toiletten. Daher wundert es nicht, dass sich Stararchitekten wie
die Pritzker-Preisträger Tadao Ando, Toyo Ito, Shigeru Ban und 13 weitere Kreative
auf Einladung der Nippon Foundation dieses Themas angenommen haben. Und jedes
der entstandenen Toilettenhäuser wurde ein Kunstwerk. Ziel war es, das Konzept
der öffentlichen Toiletten ganz neu zu denken und Orte zu schaffen, die zu
jeder Tages- und Nachtzeit sicher und sauber für alle Menschen, unabhängig von
Alter, Geschlecht oder körperlicher Beeinträchtigung, genutzt und erlebt werden
können.
Den Menschen
ein angenehmes Toilettenerlebnis zu ermöglichen und somit auch der berühmten
Omotenashi-Kultur der zuvorkommenden Gastfreundschaft Genüge zu tun, war das
erklärte Ziel der Nippon Foundation und aller Beteiligten. Dabei geht es darum,
eine Wohlfühl-Atmosphäre bei der Toilettennutzung zu schaffen und ein Höchstmaß
an Sauberkeit zu bieten. Die Sanitäranlagen sollten entsprechend einladend,
sicher, hygienisch und einfach zu nutzen sein. Darüber hinaus spielte vor allem
die Inklusion eine große Rolle. Und so sind die nun fertiggestellten
öffentlichen Toiletten allesamt auch Geschlechter übergreifend und barrierefrei
zugänglich für Menschen mit körperlichen und visuellen Einschränkungen. Sie
bieten zudem eine variierende Auswahl an Ausstattungen, die speziell auf die
Bedürfnisse älterer, schwangerer oder Menschen mit kleinen Kindern zugeschnitten
sind. Die Toilettenhäuser sind neben ihrer durchdachten Funktionalität jedes
für sich ein herausragendes Designexempel: einzigartig, individuell und
einladend.
Das Tokyo Toilet Project findet nun seinen Abschluss mit den vier zuletzt
fertiggestellten Sanitäranlagen von Junko Kobayashi, Marc Newson, Sou Fujimoto
und Miles Pennington.
Marc Newson: solide, heimelig und hygienisch
Direkt unter
der vielbefahrenen Stadtautobahn Nr. 4, neben einem massiven Brückenpfeiler,
steht das von Marc Newson entworfene Toilettenhaus. Der renommierte Designer,
der unter anderem für Kunden wie Louis Vuitton und Nike arbeitet, nimmt mit der
geschwungenen Dachform des Gebäudes Bezug auf die traditionelle japanische
Architektur, die oft in Schreinen, Tempeln oder ländlichen Gegenden gefunden
wird. Sie soll, zusammen mit der soliden, kompakten Form des Gebäudes, Ruhe und
Behaglichkeit in die hektische und hypermoderne Umgebung der geschäftigen
Millionenmetropole brungen. Durch die Sichtbetonfassade und durch die mit der
Zeit entstehenden Patina des Kupferdaches verschmilzt das Toilettenhaus immer mehr
mit seiner Umgebung und wird ein Teil von dieser. Details wie die abgerundeten
Ecken des Kubus‘ und der Türöffnungen sowie insbesondere die warme Beleuchtung
des Gebäudes unterhalb der Dachkante wirken im Kontrast dazu harmonisch und
behaglich. Um das Gefühl der Sauberkeit und Sicherheit zu unterstreichen, hat
Marc Newson die kompletten Innenräume einfarbig in hellem Blaugrün und einer
glatten, nahtlosen Oberfläche gestaltet. Die funktionelle Ausstattung umfasst
neben dem Washlet von Toto unter anderem einen Kindersitz und spezielle
Infrastruktur zur Stomaversorgung.
Miles Pennington & DLX Design Lab: mehr als nur eine Toilette
An einer
Kreuzung dreier Straßen, in markanter Lage, hat der Designprofessor Miles
Pennington zusammen mit DLX Design Lab der Universität Tokio die öffentliche
Toilette als solche komplett neu interpretiert. Die Nutzung als Toilette tritt
dezent in den Hintergrund und überlässt die große Bühne einem Multifunktionsraum,
nutzbar etwa für Ausstellungen, als Pop-up-Kiosk, Infozentrum oder Outdoorkino.
In den Boden versenkbare Poller können dort mit einem Holzbalkon
zusammengeschalten werden und dienen als flexibel gestaltbare Sitzgelegenheit.
Pennington möchte durch die zusätzliche Belebung den Trend umkehren, dass
öffentliche Toiletten wenig genutzt werden und dadurch in Vergessenheit
geraten.
Die einzelnen
Toilettenräume gliedern sich an drei Seiten um den zum Teil überdachten
öffentlichen Außenraum des ganz in Weiß gehaltenen Gebäudes. Es gibt zwei für
jeden Menschen zugängliche barrierefreie Universalkabinen mit Toto Washlets,
Wickeltisch und Kindersitz sowie eine weitere Kabine mit Urinalen.
Junko Kobayashi: Stahlzylinder mit gelbem Himmelsschirm
Eine echte
Koryphäe auf dem Gebiet der Gestaltung von Toiletten ist die Architektin Junko
Kobayashi. Als Präsidentin der Japanischen Toilettenvereinigung (JTA) und
Autorin von Büchern wie „Die Toilette verändert sich“ liegt ihr viel daran, das
schlechte Image öffentlicher Sanitäranlagen ins Positive zu kehren. So soll die
sonnengelbe ovale Scheibe, die über den Stahlblechzylindern mit ihrer rostigen
Patina schwebt, das dunkle und gedrungene Gefühl unter den Hochbahnschienen der
Sasazuka Station aufheben zu einer himmelähnlichen Öffnung. Das gesamte
Ensemble aus unterschiedlich hohen und dicken Stahlblechzylindern vergleicht
Kobayashi mit einem „störrischen alten Mann, der immer über die Menschen wacht
und gleichzeitig eine lustige und unterhaltsame Atmosphäre schafft“.
Dementsprechend verwundert es nicht, dass aus den runden Fensteröffnungen der
Stahlwandungen die Umrisse niedlicher Häschen schauen.
Sou Fujimoto: ein Brunnen in der Stadt
Einen
öffentlichen Raum mit Zugang zu Wasser, einen Brunnen in der Stadt, hat der
international tätige Architekt Sou Fujimoto entworfen. Das strahlend weiße,
geschwungene Gebäude hat einen oval gefassten und dennoch offenen Innenhof mit
Handwaschplätzen und Trinkwasserstellen in unterschiedlichen Höhen für Kinder,
Erwachsene und Menschen im Rollstuhl. Hier kann man sich treffen und ins
Gespräch kommen, auch wenn man die Toilette nicht nutzt. Es ist die neue
Interpretation eines traditionellen Konzepts, das Fujimoto mit dem Treffpunkt
rund um die Wasserstelle geschaffen hat, das über die eigentliche Funktion
einer öffentlichen Sanitäranlage hinausgeht. Das Weiß der Innenräume und der
Fassade steht dabei als Ausdruck für Hygiene und Sauberkeit, auch und gerade,
wenn es um die Instandhaltung geht. So kümmert sich die Nippon Foundation
zusammen mit Toto als Berater um die kontinuierliche Verbesserung der
Reinigungsmethoden für alle Sanitäranlagen des Tokyo Toilet Projects,
bevor die Wartung im Frühjahr 2024 an die Stadtverwaltung von Shibuya
übertragen wird.