Interview Nexus Product Design: „Wir geben der Wand mit rc40 eine integrative Funktion.“

07/13

Ulli Finkeldey und Kai Uetrecht arbeiten schon seit 20 Jahren unter dem Namen Nexus Product Design zusammen. Die in Bielefeld beheimateten Produktdesigner sind in den Bereichen Medizintechnik, Bürogeräte, Wohn- und Küchenmöbel, Polstermöbel und Accessoires tätig. Die Vielfalt der im Sanitärbereich realisierten Produkte für das Badezimmer – darunter Armaturen, Duschen, Wannen, Waschtische, Badmöbel oder Raumkonzepte – machen die beiden Designer sicherlich zu Spezialisten für das Bad.  

Zusammen mit dem Badmöbelhersteller Burgbad haben sie das Badmöbelkonzept rc40 entwickelt. Das innovative Modulsystem wurde zur ISH weiterentwickelt und durch zusätzliche Komponenten ergänzt. Das Programm eröffnet dem Architekten und Badplaner ganz neue Möglichkeiten, den Raum „Badezimmer“ zu strukturieren. Die beiden Bielefelder Designer erläutern im Interview ihre Ideen und Visionen zum Leben im Raum „Bad“. 

Gibt es in der Zukunft andere Anforderungen an unseren Wohnraum?

Kai Uetrecht: Im Laufe unseres Lebens müssen wir uns mit immer neuen Rahmenbedingungen auseinandersetzen, und dementsprechend verändern sich auch die Anforderungen an unsere Wohnung. Wir brauchen den intelligent genutzten Raum. Es ist die räumliche Qualität, die wir suchen. Es gibt bei den Menschen ein Bedürfnis, den Raum körperlich zu erleben – die Proportionen des Raums, das Licht oder die Aussicht auf die Umgebung. Ein Möbel ist das Richtige, um eine räumliche Qualität zu unterstützen, zu definieren und zu strukturieren. Das können viele Produkte einfach nicht. Vor allem nicht im Badezimmer. 

Das Badmöbelsystem rc40 feierte seine Premiere auf der ISH 2005. Was war der Anlass, weshalb Sie mit Burgbad rc40 weiterentwickelt haben?

Ulli Finkeldey: Bei einem Produkt, das wir entworfen haben, kommen wir sehr selten zu einem endgültigen Ergebnis, denn die Produktentwicklung ist ein stetiger Prozess. Dieser Prozess wird nicht abgebrochen, wenn das Produkt präsentiert ist. Die Entwicklung von rc40 war ein großer Schritt, etwas komplett Neues, auch für Burgbad – nämlich die Entwicklung von einem Solitär-Badmöbel zu einem komplexen Badmöbelsystem. Das mussten wir in den ersten Schritten gemeinsam erlernen. 

 

Kai Uetrecht: Viele neuartige Ideen waren im ersten Schritt noch nicht umsetzbar, vor allem im Bereich der ganzheitlichen Raumentwicklung. Und da sehen wir – angefangen vom kleinsten Raum in einer anspruchsvollen Stadtwohnung bis hin zu großen, faszinierenden Räumen – auch eine Notwendigkeit, mit rc40 Lösungen anzubieten, die sich in diese Räume dreidimensional integrieren lassen. 

 

Welche Idee steckt hinter dieser Weiterentwicklung in die dritte Dimension?

Kai Uetrecht: Wir schaffen Insellösungen oder Nutzungsbereiche, dadurch können wir dem Raum eine ganz neue Qualität geben - auch eine neue Lebensqualität. Wir können dem Architekten nun Impulse bieten, seinem Bauherrn das Badezimmer in einer ganz anderen Perspektive darzustellen. rc40 kann aus unserer Sicht nicht nur raumbildend, sondern auch raumsparend geplant werden und ergibt so immer eine zeitgemäße Raumordnung. 

 

Ulli Finkeldey: Wir glauben fest daran, dass rc40 eine langlebige Basis besitzt. Das Produkt ist in sich so ruhig und so schlüssig, dass formale Veränderungen nicht notwendig sind. 

 

Was bedeutet das System rc40 für das zukünftige Wohnen?

Ulli Finkeldey: Zuerst ist das Möbel zum Raum geworden, nun soll der Raum zum Möbel werden. Für uns zählen auch nicht mehr die Wände, wir wollen der Wand einen Inhalt, eine integrative Funktion geben. Das ist der neue Ansatz von rc40. Es ist eine Plattform für funktionales und emotionales Wohnen. Normalerweise übernimmt die Wand nur statische Funktion. Wir geben der Wand mit rc40 eine integrative Funktion. 

 

Kai Uetrecht: Wir können die Wohnlichkeit über das Möbel erarbeiten, wir können aber auch die Räume über eine Funktion strukturieren, wie es zum Beispiel mit Schiebetüren der Fall ist. rc40 trägt der Entwicklung moderner Architektur zu offeneren, ineinander übergehenden Wohnbereichen Rechnung, ebenso wie der intelligenten Nutzung von begrenztem Raum, ob neu oder renoviert. 

 

Wie funktioniert das?

Ulli Finkeldey: Das Programm hat es in sich: Die Maßflexibilität, die wandhohen Paneel-Systeme und die breite Palette an integrierbaren Modulen wie Waschtisch, Badewanne, Spiegel und Spiegelschränke sowie die völlig plan zu gestaltenden Oberflächen in verschiedensten Qualitäten von Holz bis Lack ermutigen dazu, gegenwärtige Raumgrenzen zu überschreiten.  

 

Kai Uetrecht: Wie ein Kasten voller Bauklötzchen oder Lego-Steine soll rc40 kreativen Planern die Möglichkeit geben, mit diesem Möbelprogramm neue Räume zu bauen. 

 

Und wie haben Sie diese Flexibilität erreicht?

Kai Uetrecht: Die Möbel werden auf einem Stahlträgergerüst montiert und bieten dadurch ausreichend Stabilität zur Aufnahme von u.a. Waschtisch, Spiegelschrank, wandhängender Toilette und Dusch-WC. 

 

Ulli Finkeldey: Dabei kooperiert Burgbad mit bekannten Anbietern von Vorwandinstallationssystemen wie zum Beispiel Geberit und Viega. Die Installateure können dabei auf gelernte Systeme und ihr geschultes Praxiswissen zurückgreifen. 

 

Bedeutet Design nicht auch, sich auf das Wesentliche zu reduzieren?

Kai Uetrecht: Ja, sie haben Recht. rc40 vermittelt auch die notwendige Ruhe im Raum, um andere Produkte, Möbel oder Menschen in den Fokus zu stellen. Man merkt, dass da irgendetwas anders ist als sonst. Ich glaube, dass viele Menschen beim Betrachten von rc40 gar nicht bewusst wahrnehmen, was für eine kreative Leistung hinter dem System steht. So ist etwa der verdeckte Siphon gar nicht sichtbar. Aber nur diese Details verhelfen rc40 zu dieser beispiellosen Klarheit. Das macht, glaube ich, auch die Faszination dieses Raumsystems aus. 

Sind solche umfassenden Produktsysteme für den Nutzer nicht zu komplex?

Ulli Finkeldey: Nein, Menschen gehen heute wie selbstverständlich an Innovationen heran und transportieren diese in ihre eigene Welt. Sie erkennen die Variabilität, wenn sie eine rc40-Anwendung mit Badewanne sehen, und übertragen die Lösung ganz intuitiv auf ihre eigenen Bedürfnisse – etwa auf eine Anwendung mit einer Dusche. 

 

Kai Uetrecht: Vor allem aber geben wir dem Planer mit rc40 ein mächtiges Tool an die Hand, bei dem er sich innerhalb eines professionellen und komplexen Systems kreativ entfalten und auch seine eigene Handschrift umsetzen kann. Das ist natürlich auch im Sinne des zukünftigen Nutzers des Badezimmers. 

 

Ulli Finkeldey: Ich glaube, wir leben heute in einem Zeitalter, indem wir sehr individuelle Produktsysteme benötigen. rc40 ist ein solch individuelles Produkt. In dem Individuellen, in der Integration liegt natürlich auch der Anspruch beziehungsweise die Herausforderung für Burgbad. Ein Badmöbelhersteller muss die Systemkompetenz haben, um die Bedürfnisse der Nutzer in ein serienreifes Produkt umzusetzen. Also, um zum Beispiel die schon angesprochene Dusche statt der Badewanne zu realisieren. Burgbad kann da auf große Erfahrungswerte mit rc40 zurückgreifen. 

 

Sie stellen den Menschen in den Mittelpunkt Ihrer Produktentwicklungen?

Ulli Finkeldey: Ja, selbstverständlich. Wir geben dem Benutzer die Nutzung nicht vor, sondern bieten vielfältige, offene Nutzungsmöglichkeiten, die der Benutzer für sich definieren kann. 

 

Kai Uetrecht: Wenn jemand unter der Dusche singt und ein gutes Gefühl hat, dann haben wir unsere Arbeit gut gemacht. Dabei geht es gar nicht nur um rein formale Werte – die Ursache für sein Wohlbefinden ist in der Ruhe, in der Sachlichkeit und in der Großzügigkeit von rc40 zu finden. 

 

Lässt sich rc40 auch in anderen Räumen verwenden?

Ulli Finkeldey: Warum eigentlich nicht? Natürlich sind alle funktionalen Details auf das Badezimmer abgestimmt. Aber wenn wir einen Besteckkasten mitliefern würden, dann könnte man rc40 rein theoretisch auch in einer Küche verwenden. Aber die formale Neutralität bietet auch andere Nutzungsmöglichkeiten. Wie zum Beispiel begehbare Kleiderschränke oder auch die Anbindung vom Bade- zum Schlafzimmer. Wir wollten mit rc40 etwas schaffen, das Leben und Raum ist – ein Lebensraum im wahrsten Sinne des Wortes. Das war unser Anspruch, und das, finden wir, hält auch das Ergebnis. Wir haben das Möbel für Menschen entwickelt, wir wollen den Nutzern vielleicht sogar ein Glücksmoment geben – und das über eine lange Zeit. 

 

Inormationen über Nexus Product Design finden Sie hier. 

 

Interview: Frank A. Reinhardt