Herr Dornbracht, Sie fordern architektonische Lösungen für die Branche. Ist sie dafür nicht zu sehr im technischen Segment verankert?

Wir würden uns bestimmt leichter tun, wenn die Branche Teil der Innenarchitektur- oder der Wohnungseinrichtungsbranche wäre. Tatsache ist: Wir müssen uns als Bad-vor-der-Wand-Branche stärker in Richtung Innenarchitektur positionieren. Das bedeutet zunächst einmal, die Schnittstellen stärker zu beachten und besser in den Griff zu bekommen. Wir vertreiben Sanitärprodukte, ja, aber damit ist ein Bad eben noch nicht vollständig. 

Was gehört denn zu einem vollständigen Badezimmer?

Natürlich gehören die Fliesen dazu, aber auch Dekorationen, Wand- und Deckengestaltung oder Licht. Alles Themen, die wir in Angriff genommen, aber noch nicht so weit entwickelt haben, dass wir flächendeckend von einem Raumarchitekturangebot reden können. Viele der Treiber unserer Branche haben eben noch andere Interessen zu beachten. Hier müssen wir die strukturellen Fragen grundsätzlich lösen. 

Umfasst der Ansatz des Raumkonzepts nicht noch mehr, wenn er, wie von Ihrem Verband dargestellt, ganzheitlich aufgefasst werden soll?

Ich sehe hier gleich mehrere Ansatzpunkte. Das erste sind die schon angesprochenen Schnittstellen zu den anderen Ausstattungsbereichen, die ein Innenarchitekt integriert, und das zweite sind die Schnittstellen zu anderen Räumlichkeiten. Nichts Neues eigentlich. Aber wenn an den Schnittstellen zu Schlafraum, Ankleide usw. mehr Transparenz geschaffen wird, wirkt jeder Raum größer – und das steigert das Wohlbefinden. Großzügigkeit ist etwas, was im Durchschnitt der deutschen Wohnungen und Häuser fehlt.  

Ist das Problem des Klimas bei einer Annäherung von Schlaf- und Badezimmer innerhalb Ihrer Branche überhaupt lösbar?

Nicht ein Zusammenlegen der Räumlichkeiten ist das Ziel. Es muss nur das Gefühl von Transparenz entstehen. Da können uns gute Designer-Hotel-Bäder durchaus ein Vorbild sein, wo wechselweise Transparenz und Intransparenz herstellbar ist. Das kann dann auch klimatechnisch gelöst werden. Glaswände sind da zum Beispiel hilfreich, die intransparent werden durch Vorhang, Rollo, Strom oder anderes, sodass wieder Intimität entsteht. Dazu sind Lösungen gefragt. Kombinierte Schlaf- und Badlandschaften hingegen sind letztlich utopisch, weil wir es im Schlafraum kalt und im Bad warm haben wollen. Das lässt sich nicht zusammen bringen. Ich denke schon, dass wir auch hierzu Lösungen entwickeln können – aber auch hier nur im Zusammenspiel von Produktherstellern unterschiedlichster Branchen, von Planern, Ingenieuren und Handwerkern. Solche Entwicklungen können nicht Aufgabe der Hersteller sein. Es geht um eine Gesamtkonzeption, und dafür brauchen wir kompetente Planer aus den Bereichen Innenarchitektur und Haustechnik.  

Was bedeutet es für die Baupraxis, wenn das Bad als Raumkonzept ernst genommen wird?

Da, wo die Chance besteht, Grundrisse neu zu entwickeln, müssen wir klar machen, dass die Anordnung des Bades im Grundriss eine ganz wichtige Aufgabe für den Architekten oder den Projektentwickler ist. Das heißt also: Raumkonzeption schließt die Frage ein, wo in einem Grundriss sich das Bad befindet. 

Oder auch, wie ich mir den Wunsch erfüllen kann, nach dem Duschen den Morgentau unter meinen Füßen zu spüren ...

Ich für meinen Teil habe es genossen, in einem Haus zu wohnen, wo ich zum Frühstücken direkt aus der Küche und nicht vom Wohnzimmer aus auf den Balkon treten konnte. Wenn das Bad oben in der ersten Etage liegt, warum nicht einen kleinen Balkon einplanen, den man vom Bad und nicht vom Schlafzimmer aus betritt. Für innovative Grundrisse, die mit modernen Raumkonzepten arbeiten, muss man sich Gedanken machen, wo ein Bad am besten platziert ist – also eben nicht irgendwo in die Ecke oder in die Mitte gedrängt, wo zufälligerweise der Entsorgungsschacht am besten platziert werden kann. Allerdings wird gerade im Neubau sehr viel unter Budgetgesichtspunkten entschieden. 

Die durchschnittliche Badgröße von 7,8 Quadratmetern scheint mir kaum genügend Platz zu bieten, um solche Konzepte zu verwirklichen. Weiß der Architekt eigentlich um den Bedeutungswandel des Badezimmers?

Nein, im Moment nicht. Ich muss es mal so deutlich sagen: Der Hochbauarchitekt hat wohl noch das geringste Bewusstsein dafür. Bei Innenarchitekten sieht es anders aus. Aber wir wissen alle, dass der Innenarchitekt in Deutschland im Privatumfeld nur im Top-Premium-Segment eine Rolle spielt. Beim Hochbauarchitekten müssen wir einen Bewusstseinswandel anstoßen, über eine Messe wie die ISH und über Diskussionen und Diskussionsplattformen. 

Wo könnte denn der erste Ansatzpunkt für Raumkonzepte im privaten Hausbau liegen?

Wir müssten Raumkonzepte entwickeln, die es leichter machen, das Bad den wechselnden Anforderungen anzupassen. Wir wissen alle, dass es irgendwann bei einer gewissen Zielgruppe einen größeren Platzbedarf im Bad gibt. Aber jeder, der neu baut, spart aus Budgetgründen am Bad, denn dessen Quadratmeter sind die teuersten im Haus. Wir brauchen also Raumkonzepte, die eine 20 Jahre nach dem Neubau stattfindende Badrenovierung bzw. Badvergrößerung bereits im Vorfeld berücksichtigen, sodass sich zum Beispiel das daneben liegende Kinderzimmer mit möglichst geringem Aufwand integrieren lässt. Solche Überlegungen müssen nicht nur bei der Renovierung, sondern gerade bei der Planung von Neubauten mit einbezogen werden. 

Haben wir da nicht das Problem von der Henne und dem Ei?

Ja, aber wir brauchen hier einen Paradigmenwechsel, und dazu brauchen wir den Architekten! Er muss sich, vielleicht sogar in Verbindung mit Bauingenieuren, in Zukunft überlegen, wie architektonische und ingenieurtechnische Lösungen aussehen könnten, um – bei einer Neuplanung, einer Sanierung, einem Dachgeschossausbau etc. – den Wandel vom Familienbad zum Lifestyle-Bad oder zum altersgerechten Komfortbad möglichst einfach zu gestalten. 

 

Hier gehts zu Teil 1 des Interviews. 

Hier gehts zu Teil 3 des Interviews.