Das Tokyo Toilet Project ist fertiggestellt

03/24
Toilettenanlagen des Stadterneuerungsprojekts The Tokyo Toilet, ein Projekt der Nippon Foundation von Marc Newson, Miles Pennington zusammen mit DLX Design Lab, Junko Kobayashi und Sou Fujimoto

Die Außenansicht der Toilettenanlagen des Stadterneuerungsprojekts The Tokyo Toilet, ein Projekt der Nippon Foundation, von Marc Newson, Miles Pennington zusammen mit DLX Design Lab, Junko Kobayashi und Sou Fujimoto

Japan gilt als das sauberste Land der Welt. Das manifestiert sich sogar in den öffentlichen Toiletten. Daher wundert es nicht, dass sich Stararchitekten wie die Pritzker-Preisträger Tadao Ando, Toyo Ito, Shigeru Ban und 13 weitere Kreative auf Einladung der Nippon Foundation dieses Themas angenommen haben. Und jedes der entstandenen Toilettenhäuser wurde ein Kunstwerk. Ziel war es, das Konzept der öffentlichen Toiletten ganz neu zu denken und Orte zu schaffen, die zu jeder Tages- und Nachtzeit sicher und sauber für alle Menschen, unabhängig von Alter, Geschlecht oder körperlicher Beeinträchtigung, genutzt und erlebt werden können.

Den Menschen ein angenehmes Toilettenerlebnis zu ermöglichen und somit auch der berühmten Omotenashi-Kultur der zuvorkommenden Gastfreundschaft Genüge zu tun, war das erklärte Ziel der Nippon Foundation und aller Beteiligten. Dabei geht es darum, eine Wohlfühl-Atmosphäre bei der Toilettennutzung zu schaffen und ein Höchstmaß an Sauberkeit zu bieten. Die Sanitäranlagen sollten entsprechend einladend, sicher, hygienisch und einfach zu nutzen sein. Darüber hinaus spielte vor allem die Inklusion eine große Rolle. Und so sind die nun fertiggestellten öffentlichen Toiletten allesamt auch Geschlechter übergreifend und barrierefrei zugänglich für Menschen mit körperlichen und visuellen Einschränkungen. Sie bieten zudem eine variierende Auswahl an Ausstattungen, die speziell auf die Bedürfnisse älterer, schwangerer oder Menschen mit kleinen Kindern zugeschnitten sind. Die Toilettenhäuser sind neben ihrer durchdachten Funktionalität jedes für sich ein herausragendes Designexempel:  einzigartig, individuell und einladend.

Das Tokyo Toilet Project findet nun seinen Abschluss mit den vier zuletzt fertiggestellten Sanitäranlagen von Junko Kobayashi, Marc Newson, Sou Fujimoto und Miles Pennington.  

Marc Newson: solide, heimelig und hygienisch

Toilettenhäuschen von Marc Newson entworfene Toilettenhaus am Standort Urasando

Von der traditionellen japanischen Architektur inspiriert und in der Formensprache schlicht und zurückhaltend zeigt sich das von Marc Newson entworfene Toilettenhaus am Standort Urasando.

Toilettenhäuschen von Marc Newson entworfene Toilettenhaus am Standort Urasando

Außen traditionell, innen hochmodern. Die glatte, monochrome Oberfläche in hellem Blaugrün, akzentuiert durch indirekte Beleuchtung, vermittelt ein hygienisch sauberes Gefühl.

Toilettenhäuschen von Marc Newson entworfene Toilettenhaus am Standort Urasando

Die barrierefreien Kabinen werden über automatische Schiebetüren betreten. Alle Toiletten der Sanitäranlage sind mit Washlets von Toto ausgestattet. Zudem gibt es kompakte, von Toto entwickelte barrierefreie Toilettenpakete, die allen Menschen mit Rollstuhl oder mit einem Stoma den Zugang erleichtern.

Direkt unter der vielbefahrenen Stadtautobahn Nr. 4, neben einem massiven Brückenpfeiler, steht das von Marc Newson entworfene Toilettenhaus. Der renommierte Designer, der unter anderem für Kunden wie Louis Vuitton und Nike arbeitet, nimmt mit der geschwungenen Dachform des Gebäudes Bezug auf die traditionelle japanische Architektur, die oft in Schreinen, Tempeln oder ländlichen Gegenden gefunden wird. Sie soll, zusammen mit der soliden, kompakten Form des Gebäudes, Ruhe und Behaglichkeit in die hektische und hypermoderne Umgebung der geschäftigen Millionenmetropole brungen. Durch die Sichtbetonfassade und durch die mit der Zeit entstehenden Patina des Kupferdaches verschmilzt das Toilettenhaus immer mehr mit seiner Umgebung und wird ein Teil von dieser. Details wie die abgerundeten Ecken des Kubus‘ und der Türöffnungen sowie insbesondere die warme Beleuchtung des Gebäudes unterhalb der Dachkante wirken im Kontrast dazu harmonisch und behaglich. Um das Gefühl der Sauberkeit und Sicherheit zu unterstreichen, hat Marc Newson die kompletten Innenräume einfarbig in hellem Blaugrün und einer glatten, nahtlosen Oberfläche gestaltet. Die funktionelle Ausstattung umfasst neben dem Washlet von Toto unter anderem einen Kindersitz und spezielle Infrastruktur zur Stomaversorgung.

Miles Pennington & DLX Design Lab: mehr als nur eine Toilette

Sanitäranlage von Miles Pennington zusammen mit DLX Design Lab am Standort

„Dies ist ein Gemeinschaftsraum, der zufällig auch Toiletten hat", so beschreibt der Designer Miles Pennington seinen Entwurf (zusammen mit DLX Design Lab) der öffentlichen Sanitäranlage am Standort Hatagaya. Ein zum Teil überdachter Außenraum bietet hier Platz für eine flexible Nutzung.

Sanitäranlage von Miles Pennington zusammen mit DLX Design Lab am Standort

Piktogramme zeigen die vorhandene Ausstattung der jeweiligen Toilettenräume. Sie sind an der automatischen Schiebetür angebracht.

Sanitäranlage von Miles Pennington zusammen mit DLX Design Lab am Standort

Um den überdachten Raum gliedern sich die drei dreieckigen Toilettenräume. In den ansonsten weiß gehaltenen Räumen sind die Einbauten für die wandhängenden Washlets von Toto.

An einer Kreuzung dreier Straßen, in markanter Lage, hat der Designprofessor Miles Pennington zusammen mit DLX Design Lab der Universität Tokio die öffentliche Toilette als solche komplett neu interpretiert. Die Nutzung als Toilette tritt dezent in den Hintergrund und überlässt die große Bühne einem Multifunktionsraum, nutzbar etwa für Ausstellungen, als Pop-up-Kiosk, Infozentrum oder Outdoorkino. In den Boden versenkbare Poller können dort mit einem Holzbalkon zusammengeschalten werden und dienen als flexibel gestaltbare Sitzgelegenheit. Pennington möchte durch die zusätzliche Belebung den Trend umkehren, dass öffentliche Toiletten wenig genutzt werden und dadurch in Vergessenheit geraten.


Die einzelnen Toilettenräume gliedern sich an drei Seiten um den zum Teil überdachten öffentlichen Außenraum des ganz in Weiß gehaltenen Gebäudes. Es gibt zwei für jeden Menschen zugängliche barrierefreie Universalkabinen mit Toto Washlets, Wickeltisch und Kindersitz sowie eine weitere Kabine mit Urinalen.

Junko Kobayashi: Stahlzylinder mit gelbem Himmelsschirm

Toilettenanlage von Junko Kobayash am Standort Sasazuka Greenway

Aufgrund der örtlichen Gegebenheiten hat die Architektin Junko Kobayashi die öffentliche Toilettenanlage unter der Sasazuka Station aus einer leichten witterungsbeständigen Stahlblechkonstruktion geplant.

Toilettenanlage von Junko Kobayash am Standort Sasazuka Greenway

In den kreisrunden Ausschnitten des Stahlbleches sind Umrisse von Hasen abgebildet, der in der japanischen Mythologie eine besondere Bedeutung hat.

Toilettenanlage von Junko Kobayash am Standort Sasazuka Greenway

In den unterschiedlich hohen Zylindern befinden sich Kindertoiletten, eine barrierefreie Toilette für Menschen mit Behinderung, ein Wickelraum sowie eine Herren- und eine Damentoilette.

Eine echte Koryphäe auf dem Gebiet der Gestaltung von Toiletten ist die Architektin Junko Kobayashi. Als Präsidentin der Japanischen Toilettenvereinigung (JTA) und Autorin von Büchern wie „Die Toilette verändert sich“ liegt ihr viel daran, das schlechte Image öffentlicher Sanitäranlagen ins Positive zu kehren. So soll die sonnengelbe ovale Scheibe, die über den Stahlblechzylindern mit ihrer rostigen Patina schwebt, das dunkle und gedrungene Gefühl unter den Hochbahnschienen der Sasazuka Station aufheben zu einer himmelähnlichen Öffnung. Das gesamte Ensemble aus unterschiedlich hohen und dicken Stahlblechzylindern vergleicht Kobayashi mit einem „störrischen alten Mann, der immer über die Menschen wacht und gleichzeitig eine lustige und unterhaltsame Atmosphäre schafft“. Dementsprechend verwundert es nicht, dass aus den runden Fensteröffnungen der Stahlwandungen die Umrisse niedlicher Häschen schauen.

Sou Fujimoto: ein Brunnen in der Stadt

Toilettenanlage von Sou Fujimoto am Standort Nishisando

Die Toilettenanlage, entworfen von dem Architekten Sou Fujimoto am Standort Nishisando, erinnert mit ihren weißen geschwungenen Linien an ein überdimensionales Waschbecken.

Toilettenanlage von Sou Fujimoto am Standort Nishisando

Über den offenen Innenhof erreicht man die Damen- und Herrentoiletten.

Toilettenanlage von Sou Fujimoto am Standort Nishisando

Die barrierefreie Unisex Toilette mit Wickeltisch ist über einen separaten Eingang mit automatischen Schiebetüren an der schmalen Seite des Gebäudes zugänglich.

Einen öffentlichen Raum mit Zugang zu Wasser, einen Brunnen in der Stadt, hat der international tätige Architekt Sou Fujimoto entworfen. Das strahlend weiße, geschwungene Gebäude hat einen oval gefassten und dennoch offenen Innenhof mit Handwaschplätzen und Trinkwasserstellen in unterschiedlichen Höhen für Kinder, Erwachsene und Menschen im Rollstuhl. Hier kann man sich treffen und ins Gespräch kommen, auch wenn man die Toilette nicht nutzt. Es ist die neue Interpretation eines traditionellen Konzepts, das Fujimoto mit dem Treffpunkt rund um die Wasserstelle geschaffen hat, das über die eigentliche Funktion einer öffentlichen Sanitäranlage hinausgeht. Das Weiß der Innenräume und der Fassade steht dabei als Ausdruck für Hygiene und Sauberkeit, auch und gerade, wenn es um die Instandhaltung geht. So kümmert sich die Nippon Foundation zusammen mit Toto als Berater um die kontinuierliche Verbesserung der Reinigungsmethoden für alle Sanitäranlagen des Tokyo Toilet Projects, bevor die Wartung im Frühjahr 2024 an die Stadtverwaltung von Shibuya übertragen wird.