Professor Wippermann, eine Ihrer Thesen lautet, dass das Bad einen zentralen Punkt im Leben unserer Gesellschaft einnehmen wird. Woran machen Sie das fest?

Der Grund dafür liegt unter anderem in der Verschiebung unserer Gesellschaft selbst – eine Verschiebung, die bereits seit vielen Jahren stabil ist und die dahin geht, dass die Menschen über 50 durchaus bereit sind, weiter aktiv am Leben teilzunehmen. Heute fangen wir erst mit 74 Jahren an, uns selbst als alt zu bezeichnen. Mit 40 fangen wir an zuzugeben, dass wir langsam erwachsen werden sollten. Man kann aber nicht 30 Jahre lang wie 40 aussehen. Das klappt nicht, das kann ich Ihnen sagen. Auch wenn die Zuwendungsindustrie hier alles versucht – straffere Haut, festere Zähne, kraftvolleres Haar und so weiter. Hierfür hat sich der Begriff Health-Style herausgebildet, also die Idee, dass Gesundheit selber zum modischen Begriff wird und den Lifestyle-Begriff, der immerhin schon 40 Jahre alt ist, allmählich ablöst respektive integriert. Der Körper wird zum Mittelpunkt der eigenen Welt. Und dieses Selbstdesign findet nun mal im Badezimmer statt. 

Die Aufwertung des Bades wird also noch weiter gehen?

Ja, denn auch um einen herum soll es schön sein. Menschen, die im Bad aktiv sind, sind auch bereit, Geld in die Hand zu nehmen, um es hier besser und schöner zu haben. Es wird darum gehen, Lösungen anzubieten, die die Leute in eine Welt mitzunehmen, in der sie sich wohlfühlen. Sie wollen ein Angebot, das vielen Aspekten ihrer Persönlichkeit entspricht. 

Was bedeutet das für die Entwicklung des Badezimmers?

Es geht um Individualisierung, und es geht darum, dass der Raum eine andere Bedeutung gewinnt, dass er wohnlicher wird. Man hat auch im Badezimmer seine Lieblingsmöbel, kauft sich gezielt Einzelstücke und schafft so durch eine objekthafte Einrichtung eine ganz neue Atmosphäre. Man hat keine geschlossenen Duschräume mehr, sondern einzelne Objekte. Und es gibt wieder mehr Materialien im Bad: Kupfer und Messing, Holz und Bambus. Material, das mit einem zusammen älter wird, schöner wird, dem man das Leben ansieht, Material, das eine schöne Patina bekommt. Naturstein kommt wieder zurück ins Badezimmer, gute Handarbeit wird wieder gefragt sein. Das ist zwar nicht massenmarktfähig, aber es ist ein Indikator dafür, was den Massenmarkt demnächst interessieren wird. 

Welche Auswirkungen hat diese Individualisierung, dieser Solitärgedanke auf die Badeinrichter bzw. für das Handwerk und das gesamte Badezimmer-Design?

Dass wir individuelle Bäder haben wollen, die wir so gestalten, wie wir das gut finden und nicht irgendwelche Innendesigner, macht es für sie sehr schwierig. Sie müssen in Zukunft mehr auf die Kunden und ihre Bedürfnisse eingehen. Wie wollen diese Menschen leben, wie sehen sie sich selbst, was sind ihre Sehnsüchte? Und dann müssen sie Dinge kombinieren, die früher vielleicht nicht zusammen gehört haben. Wie etwa bei der Pop-Art, die unter anderem davon getrieben war, dass man Dinge zusammenbrachte, die nicht zusammen gehörten. Einzelstücke, wie etwa ein Wasserhahn von Zaha Hadid, werden für die Einrichtung eine große Bedeutung haben, egal, wie das Bad sonst eingerichtet ist. Diese Detailverliebtheit, diese Kenntnis um das einzelne Objekt, das ist etwas, was das Bad aus dem alten Nützlichkeitsbereich deutlich heraushebt. 

Tritt der Nützlichkeitsaspekt vor der Wohnlichkeit zurück?

Natürlich, der Möbelaspekt wird auch im Sanitärbereich immer mehr in den Vordergrund rücken, ebenso wie die Idee, dass man im Raum eine freie Positionierung sucht. Zu- und Ableitungen orientieren sich dann nicht mehr an den Wänden. Der Aspekt der Wohnlichkeit wird dafür sorgen, dass eben nicht mehr nach Nutzungsgesichtspunkten montiert wird, sondern nach gestalterischen. Das ist eine Tendenz, die deutlich im Markt zu erkennen ist. Man kann unterschiedliche Module miteinander kombinieren, man kann einzelne Elemente herausnehmen und erneuern. So lässt sich auch der modische Aspekt der Bäder stärker betonen als in der Vergangenheit.  

Betrifft eine modische Gestaltung des Bades auch die Lebenszyklen des Interieurs?

Insgesamt spielt der Gestaltungsaspekt im Bad eine sehr große Rolle. Wannen, Waschtische, Becken und Duschen sind heute mit demselben Anspruch wie im Möbeldesign gestaltet. Dabei werden sie aber nicht mehr aus der klassischen Tradition des Bades heraus entwickelt, sondern aus Lebensgefühlen, aus Launen, aus individuellen Interpretationen heraus. Das ist natürlich auf der einen Seite hoch spannend, weil dadurch ein schneller drehender Markt entsteht. Man muss nicht mehr 30 Jahre warten, bis irgendetwas geändert wird. Auf der anderen Seite dominieren weniger die großen Einheiten, die man früher gewohnt war, sondern viele unterschiedliche Module, die zusammengebracht werden müssen. Es wird also schwieriger. 

Eine Ihrer Thesen ist, dass das Bad in etwa die gleiche Entwicklung durchläuft wie zuvor die Küche, mit der Öffnung zum Wohnraum, mit der zunehmenden Technisierung usw. Wie sieht es bei den technischen Neuerungen im Bad aus?

Die Technisierung des Badezimmers, die Idee, dass Elektrotechnik und Wasser mehr und mehr zusammen kommen… das ist ein interessantes Thema. Dass wir Sensortechnik etwa im öffentlichen Bereich einsetzen, ist mittlerweile selbstverständlich geworden. Die Zukunft wird diese Technik aber ins private Bad bringen und mit der automatischen Erkennung desjenigen kombinieren, der den Raum betritt. Musik und Lichtstimmung werden dann automatisch von kleinen Computern gesteuert. Und dass die individuellen Temperaturen voreingestellt sind und mit bestimmten Dusch- und Wassergewohnheiten kombiniert werden, ist sicherlich auch etwas, das nach und nach selbstverständlich werden wird. Denn dass die Idee von Fernbedienungen, die wir vom Fernsehen oder aus der Computerbranche kennen, in den Badbereich übertragen wird, ist mehr als realistisch. Aber es geht ja noch weiter: Funkchips sind dabei, unser Leben tatsächlich internetfähig zu machen. Man kann damit nicht nur Paletten hin- und herschicken, auch Rollatoren können GPS-fähig gemacht werden und uns zeigen, wo der Eingang zum Badezimmer ist, wenn wir nicht mehr ganz konzentriert sind. Oder wo das Bett steht. Die Idee, Hightech in die Wohnung zu bringen – GPS, RFID, also das, was im Business selbstverständlich ist –, ist etwas, das wir definitiv nicht unterschätzen sollten.  

Häufig spielen bei solchen Entwicklungen ja auch Tendenzen aus anderen Kulturen eine Rolle. Welche Strömungen von außen beeinflussen das Badezimmer-Design?

Viele Tendenzen unserer Badgestaltung haben ihre Wurzeln im Asiatischen. Das hat unter anderem etwas mit der Wellnessbewegung zu tun. Sie brachte zum Beispiel das Holz zurück, das lange Zeit aus dem Bad vertrieben war. Holz unterstreicht den wohnlichen Aspekt und das Gemütliche, das Klare, und das mental Entspannende. Hier spielt auch Bambus als Material eine Rolle, weil es relativ preiswert ist und eine sehr schöne Ausstrahlung hat. Insbesondere der japanische Einfluss ist sehr interessant, wo die Toilette anders aufgefasst wird. Intime japanische Reinigungsrituale haben durchaus den deutschen Markt erreicht. Sie zeigen uns, dass man einen Fön nicht nur für die Haare einsetzen kann, sondern auch bei der täglichen Intimpflege. Diese Idee der japanischen Rituale wird unseren Kontext im Bad verändern. 

 

Weitere Informationen: 

peterwippermann.com