My bath is my castle
Der Trend, fast das ganze Privatleben und einen Teil des öffentlichen Lebens (Geselligkeit, Home Office etc.) in der repräsentativ gestalteten Wohnung stattfinden zu lassen, hat auch das Badezimmer zu einem Wohnraum umdefiniert, in dem sich die Nutzer auch außerhalb der täglichen Routine häufig aufhalten.
Homing hat den Baderaum kulturell aufgewertet. Das Ergebnis der Verwandlung der Nasszelle in ein Badezimmer ist der stilistisch an das Wohnumfeld angeglichene, aber dennoch spezifische Funktionsraum Bad. Während ihm einerseits neue Funktionen, etwa Fitnessraum, TV- oder Musikzimmer – zugewiesen und technische Features hinzugefügt werden, sind die Übergänge zum Wohnraum durchlässig geworden. Das Neue an den modernen Bädern sind die wohnlichen Materialien und Möbel, die aufwändige technische Ausstattung sowie die tendenzielle Offenheit zu benachbarten Räumen.
Die Wirtschaftskrise und das allgemeine Gefühl der Unsicherheit bestärken die Menschen darin, Geborgenheit in den eigenen vier Wänden zu suchen. Die Wohnhöhle wird zur friedlichen Insel in stürmischen Zeiten. Hier kann man die Probleme vergessen und den Stress hinter sich lassen. Die Wohnung wird zur Burg.
Doch im Gegensatz zu dem in den 80er-Jahren attestierten Cocooning steht beim Homing-Trend das Einigeln im heimischen Kokon nicht im Vordergrund. Vielmehr wird das eigene Heim auch zur Pflege sozialer Kontakte genutzt, und damit wandelt es sich zur Repräsentationsplattform. Es wird hochglanzpoliert – zum einen wegen des Showeffektes, und zum anderen, weil man auch die eigenen gestiegenen Ansprüche befriedigen will. Und das betrifft nicht nur Küche und Wohnzimmer, sondern auch das Bad. Homing löst die Grenzen zwischen Bad und dem Rest der Wohnung auf. Sicherlich wird sich nicht gleich jeder eine Badewanne ins Wohnzimmer stellen, aber was hindert uns daran, das Badezimmer zu einer Art Wohnzimmer zu machen? Ein Zimmer allerdings, in dem wir uns so geborgen fühlen, dass wir uns hier auch ohne unseren Panzer aus modischem Outfit und verbindlichem Lächeln bewegen können, ja sogar ganz ohne Kleidung.
Bad und Schlafzimmer – ein perfektes Paar
Was liegt da näher, als die Beziehung zwischen Bad und Schlafzimmer zu intensivieren? Eine Idee, die so neu gar nicht ist. Schlaf und Körperpflege lagen schon immer nah beieinander. Erst die Erfindung des Badezimmers bzw. der sterilen Nasszelle trennte sie. Die neuen Einrichtungskonzepte entdecken die Vorzüge dieser ehemaligen Wohngemeinschaft wieder, ohne die Nachteile – wie kühle Umgebungstemperatur beim Waschen, wenig Funktionalität und fehlende Separierung für die Toilette – zu übernehmen. Die neuen Wohn-Schlaf-Badezimmer sind bemerkenswert offen, lassen dabei jedoch genügend Platz für Diskretion. Dabei profitieren beide Bereiche vom offensichtlichen Raumgewinn und danken es mit Wohnlichkeit. Wer eine klimatische Zäsur zwischen Bad und Schlafbereich wünscht, plant breite Durchgänge und Schiebetüren aus Glas oder Holz ein.
Designer und Hersteller tragen einiges dazu bei, dem Wohlgefühl in den neuen Raumkonzepten eine wichtige Rolle einzuräumen. Im Idealfall wird der WC-Bereich ausgegliedert. Doch Waschtisch, Dusche und Wanne gehören auf jeden Fall ins offene Badezimmer, um Körperpflege, Regeneration und Entspannung zu gewährleisten. Eine Sauna oder ein Dampfbad vervollständigen das Ensemble zur viel zitierten „Wellnessoase“. Auch hier haben die Hersteller auf die steigenden Ansprüche reagiert und wohnliche Konzepte entwickelt: Zum Beispiel die Sauna „Inipi“ von Duravit. Die klare transparente Kabine bietet Raum für zwei bis vier Personen und kommt dabei mit einem Maß von nur 235 x 117 cm aus. Der Rahmen aus Holz ist das verbindende Element zwischen Bad- und Wohnbereich.
Elegante Solisten – Sanitärobjekte werden Möbel
Einen weiteren wichtigen Entspannungsfaktor stellen Badewannen dar. Auch sie geben sich wohnlich. Die feste Verbindung mit der gefliesten Wand haben sie schon lange aufgekündigt. Jetzt präsentieren sie sich als eigenständige Wohn- und Funktionselemente, deren Position gerne in der Nähe des Bettes gewählt wird, auf jeden Fall aber in einem wohnlichen Kontext, der einem das Bad weniger als hygienische Maßnahme denn als abendliches Entspannungsprogramm erscheinen lässt. Wenn die Badewanne nicht als elegantes freistehendes Modell daherkommt, dann wird sie mit attraktiven Wannenverkleidungen ausgestattet, die mit der übrigen Möblierung harmonieren können. Es gibt sie in den unterschiedlichsten Materialitäten – von hinterleuchtetem Glas bis hin zu Holz- oder Steinimitaten. Und wenn die Wanne nicht für ein Bad gebraucht wird, lässt sich das Modell Sundeck von Duravit (Design: EOOS) dank seiner über die Öffnung klappbaren Liegepaneele auch als Liege zum Sonnen, Relaxen oder Lesen nutzen.
Duschen, die keinerlei Ähnlichkeit mehr mit den beengten Glaskäfigen früherer Jahre haben, bieten erfrischende Alternativen zum Wannenbad. Und das nicht nur dank cleverer, großzügiger Walk-in-Anlagen. Regenbrausen, Kopf- und Seitenbrausen in den unterschiedlichsten Formaten oder programmierbare Erlebnisduschen mit Sound- und Lichteffekten bieten dem Fitnessfan eine große Auswahl für den individuellen Pflege- und Aufwachplan. Raus aus dem Bett – rein in die Dusche; raus aus der Wanne – rein ins Bett: so ließe sich die ideale Zweierbeziehung zusammenfassen.
Zentraler Anlaufpunkt eines Bades ist und bleibt allerdings der Waschtisch. Dieser hat sich von der reinen, schmucklosen Waschgelegenheit längst zum Funktionszentrum gewandelt. Möbel, Hocker oder Fußbänke sind nützliche Ergänzungen. Die Möbel orientieren sich an aktuellen Looks der Wohnbranche. Hochglänzende Lackfronten, häufig in aufregendem Rot oder Schwarz, oder ausdrucksvolle Oberflächen im Zebrano- oder Olivenbaumlook machen dabei nicht nur im Bad eine gute Figur. Sie könnten es – was die Optik anbelangt – durchaus mit Loungemöbeln aufnehmen. Hübsches Extra ist ein Schminktisch. Eine Version, die sich am modernen Boudoir-Look orientiert, bietet Villeroy & Boch mit dem Modell „Bellevue“. Keramag wartet in der Linie „Silk“ mit einem praktischen Kosmetik-Modul auf.
Tor zur Welt – Schaltzentrale Badewanne
Man ahnt es schon: Sie sind wieder da, die Zeiten für die stundenlange „Toilette“. Wenn es nicht die Körper- und Gesichtspflege, die private Modenschau unter Einbeziehung des begehbaren Kleiderschranks oder die tägliche Yoga-Übung ist, zu denen sich frau/mann zurückzieht, so lässt sich die neue gute Stube genauso gut als Medienraum nutzen wie die Sitzecke im Wohnzimmer. Denn wem die totale Abgeschiedenheit des Bad-/Schlafzimmers von weltlichen Dingen nicht gefällt, der kann hier guten Gewissens auch Fernseher, Radio oder Hi-Fi-Anlage installieren. Per Fernsteuerung lässt sich in der Wanne sitzend der Lieblingssender einstellen oder die zur Stimmung passende Musik auswählen. Einen highendigen Mediengenuss ermöglichen digitale Systemsteuerungen, die von Musik und TV über Licht- und Klimatechnik eine integrierte Hausautomation übernehmen. Da ein Wohnraum aber auch außerhalb des Bades Sitzgelegenheiten braucht, werden noch ein Pouf, eine Relax-Liege oder ein Lounge-Sessel auf den Flauschteppich gestellt, der in sicherer Entfernung von der Badewanne zum Räkeln einlädt.
Ein Raum für sich
Die Material- und Farbwahl tun ein Übriges, um den wohnlichen Eindruck zu verstärken. Die Fliese spielt ihre Vorzüge hauptsächlich in den Spritzbereichen und als Bodenbelag aus. Doch der Übergang zum Schlafzimmer verlangt charmante Alternativen. Parkett, Putz, feuchtraumgeeignete Maltechniken lassen die letzten Assoziationen an eine Nasszelle verschwinden. Es ist weniger ein Aufweichen der Grenzen zum Wohnraum, was das „Wohnbad“ ausmacht, als die Gestaltung des Badezimmers zu einem eigenständigen, wohnlich ausgestatteten Aufenthaltsraum – eben zu einem „Zimmer“. Selbst Tapeten haben daher ihren Weg ins Bad gefunden. Mehr Lifestyle geht kaum.
Oder doch? Wie wäre es mit Wohnraumleuchten für das perfekte Wohlfühllicht? Warum nicht gleich einen Lüster an die Decke hängen? Ein Kamin mit prasselndem Feuer und einem dicken Vorleger würde den Traum vom Wohlfühlbad erst perfekt machen. Wenn es im Bad so kuschelig ist, dann kann einem die Krise zumindest zu Hause wenig anhaben.
Text: Sybille Hilgert