Die hoch entwickelte Formensprache des Sanitärdesigns

Matteo Thun www.metteothun.com 

Villeroy & Boch, Stonehenge 

Patricia Urquiola www.patriciaurqiola.com 

Hansgrohe, Axor Urquiola 

Keramag, Era 

Roberto Palomba www.palombaseradini.com 

Laufen, Palomba Collection 

Tom Shönherr, Phoenix Design www.phoenixdesign.com 

Duravit, PuraVida 

Michael Sieger www.siegerdesign.de 

Dornbracht, Mem 

Philippe Starck www.starck.com 

Duravit, Starck K 

Achim Pohl, Artefakt www.artefakt.de 

Ideal Standard, SimplyU 

Ross Lovegrove www.rosslovegrove.com 

Vitra Bad, Istanbul 

Jaime Hayon www.hayonstudio.com 

ArtQuitect, Edition, Jamie Hayon 

Design lässt im Badezimmer ganze Welten mit minimalistischem, natürlichem oder poetischem Charakter entstehen. Das moderne Sanitärdesign hat eine Vorreiterstellung im Produkt- und Interior Design erlangt. 

Der Trend zum Design im Bad bezeichnet weniger eine neue Entwicklung als eine etablierte Produktkultur – einen Megatrend, dessen Einfluss grundlegend für jede neue Produkt- und Konzeptentwicklung ist. Damit kann die elitäre Vorstellung von dem so genannten Designerbad als überholt gelten, da der gestalterische Ausdruck in der Standardversion eines neuen Bades nur weniger prononciert und stärker normiert erscheint als im Designerbad, das sich demgegenüber durch die Handschrift eines bestimmten Designers profiliert. Doch egal, welcher konzeptionelle Aspekt im Vordergrund steht: Design ist heute Impulsgeber, Ideenlieferant, Innovator und stilbildendes Element jedes Bades. Die harmonische Linienführung in den Kollektionen ist genauso auf den Einfluss der Designer zurückzuführen wie die skulpturale Qualität der einzelnen Ausstattungselemente. Dabei geht der Trend zu einer freieren formalen Auffassung der einzelnen Elemente einer Kollektion, die mehr Variation in die Modellgestaltung bringt und stereotype Muster vermeidet. Design macht heute aber auch Vorschläge zur Nutzung des Bades und ist Wegbereiter für technische Innovationen. Vor allem jedoch haben Designer dafür gesorgt, dass das Bad endlich Zimmer geworden ist: durch die wohnliche Qualität der Objekte und ihre Integration in behagliche Interior Designs und Raumkonzepte. 

Das Bad hat in den letzten fünfzehn Jahren eine Entwicklung von der Nasszelle zum durchgestalteten, wohnlichen Raum vollzogen. Anteil daran haben vor allem das Design und ein wachsendes Bewusstsein der Verbraucher für Ästhetik, aber auch für Körperpflege und -genuss. Manche Gestaltungskonzepte gehen sogar so weit, den idealen Platz für Badewanne oder den Duschtempel wieder in Wohn- oder Schlafzimmer zu verlegen, und versetzen uns damit wieder in die Zeit der Boudoirs, wo zum Baden eine mit Tüchern ausgelegte Zinkwanne in den Salon gestellt wurde. Doch das sind Ausnahmeerscheinungen, die als Zeichen für die kulturelle Aufwertung des Baderaums zu werten sind. Das nachhaltige Ergebnis dieser Verwandlung ist der stilistisch angeglichene, aber gleichwohl spezifische Funktionsraum Bad. Das Progressive in den modernen Bädern bilden die wohnlichen Materialien und Möbel, die aufwändige technische Ausstattung sowie die tendenzielle Offenheit zu benachbarten Räumen. 

 

Antreiber dieser Entwicklung war der Gestaltungswille einiger weniger Industrieunternehmen, die sich mit neuen Formen von dem bisherigen Stereotyp abheben wollten. Das Design hörte auf, rein traditionelle Muster zu wiederholen. Funktionale Ansätze auf der einen und eine weitgehend normfreie, stilistische Experimentierfreude auf der anderen Seite führten zu ersten durchgestalteten Kollektionen – allen voran die nach ergonomischen Gesichtspunkten gestaltete Keramikserie Colani von Villeroy & Boch – und zu eigenwilligen, aus heutiger Sicht sogar exzentrischen Design-Blüten im Anschluss an Memphis und die Postmoderne. Wirklich aus architektonischen Überlegungen heraus entwickelte Systeme blieben jedoch lange die Ausnahme – wie die in den späten 60er-Jahren von Arne Jacobsen für Vola entwickelte Armaturenserie, die aufgrund ihres modularen Aufbaus und ihrer funktionalen Formgebung zu einem Klassiker wurde, der nach wie vor begehrt ist. Erstaunlicherweise kommen gerade aus diesem Produktsegment, das am wenigsten raumbildend wirkt, seit Jahren wichtige Impulse. Vielleicht, weil bei der Armatur das stilbildende Prinzip der Reduktion auf das Notwendigste seinem Ideal am nächsten kommt – dem Strich. Als Profil gebendes Objekt hat die Armatur eine Vorreiterrolle und formal bestimmende Funktion für das gesamte Sanitärdesign erhalten. Auch die Rückführung auf geometrische Grundformen wurde systematisch bei den Armaturen durchexerziert und vorangetrieben. Dadurch erhielt auch die geometrische Formgebung in der Keramik die notwendige Unterstützung, und Waschtische, Badewannen und WC/Bidet-Sortimente erhielten eine zunehmend flächenbündige, an architektonischen Gestaltungsprinzipien angepasste Formensprache, bei der zwar die einzelnen Elemente profiliert und erkennbar blieben, aber ihren gattungstypisierten Duktus zugunsten der kollektionstypischen Linienführung aufgaben. 

 

Bei der Weiterentwicklung spielt aber auch die technische Perfektionierung eine Rolle, etwa bei der dünnwandigen Ausführung der Materialien, der Verarbeitung der Keramik in nahezu rechtem Winkel oder der Volumenreduktion bei Armaturen. Letztere – als Voraussetzung einer minimalistische. Die vor allem für ihre Design-Ikonen und innovative Gestaltungskonzepte berühmte Armaturenschmiede Dornbracht wiederum lebt von ihren Leitbildern im Spitzensortiment, sprich den Armaturen Tara und Mem, die von Sieger Design entworfen wurden. Insgesamt sind im ambitionierten Design neben der konsequenten Minimalisierung zwei formale Gestaltungsprinzipien prägend: Zum einen die idealtypische Reduktion einer traditionellen Form auf einen modernen „Archetyp“ und zum anderen eine prozesshafte Vorgehensweise, bei der ein Archetyp durch Zergliederung in seine Einzelteile und die Wiederzusammensetzung der radikal vereinfachten Elemente neu interpretiert wird. Die in Kooperation von Duravit, Hansgrohe und Hoesch entwickelte Badkollektion Starck I stellt aber nicht nur in Hinsicht auf ihre Armatur einen Meilenstein dar. Nachhaltig war vor allem der ganzheitliche Gestaltungsansatz sowie die Einzelstellung der Sanitärobjekte zur freien Möblierung eines „salon d’eau“, wie Philippe Starck proklamierte. Das Produktdesign selbst stellte eine Überarbeitung von Kulturformen in die moderne Formensprache und in das Material Keramik dar. Die Waschschüssel etwa, auf den Tisch platziert und wasserführend installiert, entwickelte sich zu einem Erfolgstypus des modernen Waschplatzes, der heute nicht nur in Keramik, sondern auch Glas, Mineralguss, Edelstahl, Kunststoff und selbst Holz angeboten wird. Ob nun bei Happy D oder PuraVida von Duravit, der Kollektion Flow (Design: Hadi Teherani) von Keramag oder den von Artefakt entworfenen Kollektionen SimplyU oder Moments von Ideal Standard – kennzeichnend für ein modernes Sanitärdesign scheint eine harmonische, aber immer noch differenziert ausgearbeitete Gestaltung jedes Einzelobjektes einer Kollektion. Die additive Formgebung dominiert, und auch immer mehr skulpturale Solitäre – insbesondere die freistehenden, gleichwohl formal in das Gestaltungskonzept eingebundenen Badewannen – machen die Einheits-Nasszelle im alles übertünchenden Fliesengewand vergessen. 

 

Dabei werden Gestalter und Konsumenten immer selbstbewusster bei der Kombination der einzelnen Elemente. Die naturhaft gerundeten geometrischen Primärformen, die in die Flächen organisch eingebetteten Beckenvertiefungen, die Kombinierbarkeit der Formenvarianten von sich ständig weiterentwickelnden Kollektionen ebenso wie die freie Neuinterpretation von Klassikern der Moderne oder der 70er-Jahre verweisen auf eine Entwicklung zu mehr Freiheit und weniger streng verstandener Deklination der Modelle nach dem Kollektionsprinzip. Auch die so genannten „Produktfamilien“ passen sich dem Wandel der Zeit an und werden mithilfe sich ergänzender Komponenten formale Lösungen für temporäre Zweckgemeinschaften, Puristen und Patchwork-Familien anbieten. Die Zukunft ist komplementär – ästhetisch betrachtet. 

 

Texte und Zitate: Frank A. Reinhardt