Expertenrat: Wie SHK-Handwerker mit einfachen Mitteln körpergesund bleiben

04/18

Bücken, knien, verrenken – Fachhandwerker leisten körperliche Schwerstarbeit. Und das Tag für Tag. Doch wie kann man das ausgleichen? Ist „Wellbeing“ im Handwerksberuf überhaupt möglich? Im Gespräch verrät Dr. Adrian Busen, wie Stress und Zwangshaltungen vermieden werden können, welche Maßnahmen Sinn ergeben und was die manuelle Therapie leisten kann. 

Dr. Adrian Busen praktiziert als Facharzt für Allgemeinmedizin in der Praxis Dr. Münster im westfälischen Münster. Nach Studium und Approbation in Mainz wurde er zum Facharzt für Innermedizin sowie Allgemeinmedizin ausgebildet. Der Themenkreis „Gesundheitsförderung und Prävention“ spielt für ihn eine zentrale Rolle. Busen arbeitet in den Bereichen manuelle Medizin / Chirotherapie mit dem Schwerpunkt Atlastherapie, führt ebenfalls die Zusatzbezeichnungen Ernährungsmediziner DAEM / DGEM sowie Reisemedizin (CRM). 

Herr Dr. Busen, was verstehen Sie unter dem Begriff „Wellbeing“?

Uns in dem was wir tun, egal ob Arbeit oder Freizeit, jeden Tag aufs Neue körperlich und geistig wohl zu fühlen. 

Ist eine ganzheitliche Betrachtung von Körper und Geist in Bezug auf unseren Job sinnvoll?

Sinnvoll ja, aber kaum praktikabel. Nur wenn ich regelmäßig geistig und körperlich neu gefordert werde und nicht jeden Tag den gleichen Arbeitsvorgang machen muss, kann ich ausreichend Energie schöpfen. Der Akku sollte nach der Arbeit nicht im roten Bereich stehen.  

 

An der Umsetzung scheitert es leider oft. Einem zwei Meter großen SHK-Installateur, der im Kundenservice eingetaktet ist und kurz in die Behandlung kommt, kann ich natürlich schwer sagen, dass er den Tag mit 30 Minuten Rückentraining ausklingen lassen soll. Der isst noch schnell was und legt sich verständlicherweise sofort hin. Morgens sind dann Körper (völlig zerschlagen) und Geist (keine Lust auf den vollgestopften Straßen von Kunde zu Kunde zu hetzen und stundenlang in körperlichen Verrenkungen knieend unter dem Waschbecken zu hängen) nicht im Lot. Ihm kann ich nur die Blockade an der Wirbelsäule lösen, Schmerzmittel aufschreiben und alles Gute wünschen. 

 

SHK-Handwerker leisten einen „Knochenjob“. Zeitdruck, zu viel Arbeit, wechselnde Einsatzorte, schwer zugängliche Stellen – das laugt aus! Wie erkenne ich Stress und welche Folgen kann dieser haben?

Stress wird individuell empfunden. Zum einen hat jeder eine andere Belastungsschwelle. Zum anderen filtern wir Stress unterschiedlich durch unseren Körper. Das kann von oben nach unten sehr vielschichtig sein: Kopfschmerz, Augenzucken, Herzbeklemmung, Verspannungen, Magen-Darm Beschwerden bis hin zu schweren Füßen. Da muss man sich schon sehr gut kennen, um das als Stress zu orten – beziehungsweise es sich auch eingestehen oder mit dem Hausarzt in Ruhe besprechen und reflektieren. Stress ist auf Dauer furchtbar schädlich, weil er eine psychosomatische Schraube zudreht, die irgendwann nur noch schwer zu lösen ist. Ein stressbedingtes Magengeschwür sieht augenscheinlich nicht groß anders aus, als ein durch andere Faktoren verursachter Defekt. 

Installateure arbeiten viel in ungünstiger Körperhaltung (Zwangshaltung): Was geschieht dadurch mit meinem Körper? Wie kann ich dennoch körpergesund bleiben?

Durch Zwangshaltung oder immer wiederkehrende Bewegungsabläufe treten oft Verspannungen und Überlastungen im muskuloskelettalen System auf. Es entstehen Funktionsstörungen im Bewegungsapparat. Diese arbeitsrelevanten – oft auch falschen Bewegungen – zu vermeiden, erscheint fast aussichtslos. Wenn ich unter der Spüle mit Kopflampe in Schlangenform verharre, ist das im Nachgang natürlich stark spürbar. Deswegen sage ich meinen Patienten eigentlich immer, dass die Beschwerden in der Regel eine logische Konsequenz ihrer Bewegungsabläufe sind. Daher: Bewusste Bewegungen machen, kleine Pausen einlegen, ausreichende Flüssigkeits- und Nahrungsaufnahme. 

 

Das Wichtigste, um „körpergesund“ zu bleiben, ist, neben der Arbeit eine körperstabilisierende, sportliche Aktivität zu betreiben – für die meisten verständlicherweise eine echte Herausforderung. Was das bei den unterschiedlichen handwerklichen Berufen dann im Einzelnen ist, sollte mit dem Arzt oder Physiotherapeuten besprochen werden. 

 

Bücken, heben, knien, hocken, drehen – wie mach ich´s eigentlich richtig und worauf muss ich achten?

Wir sollten generell alle Bewegungen mit dem ganzen Körper machen und nicht nur mit einem Teil. Das kann man auch in der manuellen Therapie erlernen. Der Fachbegriff dazu lautet Bewegungsstereotyp. Wie viele Muskeln bei einfachsten Bewegungsabläufen vom Nervensystem angesteuert werden, ist kaum zu glauben! 

 

Langes Stehen oder auch langes Knien bzw. Hocken – wie kann ich Belastungen vorbeugen?

Beugen ist schon mal gut (lacht). Dann aber auch wieder Strecken. Also: Immer die Gegenspieler gleichwohl belasten. Wenn wir viel in gebeugter Haltung arbeiten, müssen wir uns zwischendurch dehnen, strecken und kurz entlasten. Wie auch auf längeren Reisen: Zwischendurch rumlaufen, Zehen- und Hackenstand. Immer die Muskelpumpe in den Beinen auf Trab halten. Nach der Arbeit die Gräten hochlegen und massieren. Beim Knien Protektoren zu benutzen, ist in jedem Fall empfehlenswert. Am Wochenende auch mal Sauna und Abkühlbecken konsultieren – oder Wechselduschen im eigenen Bad. 

Die Kalt-Warm-Wassertherapie kann also bei der Körperregeneration bzw. der Prävention unterstützend helfen?

Genau, Wechselduschen durch abwechselnd kaltes und warmes Wasser ist tatsächlich förderlich. Das vegetative Nervensystem und somit auch das ganze Gefäßsystem bekommen dadurch wechselseitigen Input und helfen kreislaufregulierend dem Körper auf die Sprünge. Und das Gute: Wir können die Kalt-Warm-Wassertherapie ganz einfach in unserem eigenen Bad anwenden. 

Gibt es weitere Übungen, die ich schnell mal zwischendurch ausüben kann, um meinen Körper ganzheitlich zu entlasten?

Sich zwischendurch „Aushängen“ an einer Stange – zum Beispiel im Türrahmen – tut sehr gut. Auch mal schreien, singen oder laut lachen. Das ist natürlich situativ schwierig und hängt von den Kollegen ab, aber wenn es passt, ist das doch recht befreiend. 

 

Wie sieht ein „gesundheitsfördernder Lebensstil“ im Hinblick auf die Work-Life-Balance aus?

Was immer wieder unterschätzt wird: Wir sollten unsere Freizeit mit vom Arbeitsalltag ablenkenden Aktivitäten füllen. Das Ziel wäre, wenn wir Montagmorgens um 6:00 Uhr bei der Fahrt zur Arbeit auf der stockfinsteren Autobahn sagen könnten: „Das Wochenende war schön, hat mich erfüllt und ich habe meinen Alltag aufgewertet. Jetzt kann also kommen, was will!“ Das ist natürlich recht hoch angesetzt (lacht).  

Bei welchen Beschwerden sollte ich zum Arzt bzw. zur manuellen Therapie gehen? Was kann diese leisten?

Wenn eine starke Blockade oder Verspannung nicht vom Körper alleine aufgelöst wird, sprich in etwa 72 Stunden, sollte man beim Manual-Therapeuten vorbeischauen. Der kann diese Funktionsstörung in der Regel positiv beeinflussen und gegebenenfalls zu Anschlussbehandlungen raten. Möglicherwiese ist eine kurzfristige schmerz-, oder muskelentspannende Therapie notwendig.